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Für Kolumne "Aus der Zeit" 
Die Lichtwarte auf dem Abspannwerk Scharnhorst in der Sellerstraße heute;Foto: Beata Gontarczyk-Krampe

© Beata Gontarczyk-Krampe

Die erste Lichtwarte der Welt: Der Schalter für ganz Berlin stand ab 1930 in Wedding

In Folge 21 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte geht es um die zentrale Steuerung der Straßenlaternen.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

Jeden Tag passieren in Berlin wundersame Dinge: Der Müll, der die Bürgersteige und Grünanlagen an manchen Orten bedeckt, löst sich über Nacht scheinbar in Luft auf. Kühles oder wahlweise warmes Wasser fließt aus dem häuslichen Hahn. Und wenn die Sonne langsam ihren Kopf über Berlin neigt und hinter dem Häusermeer verschwindet, erwachen die Straßenlaternen, um mit ihren leuchtenden Augen uns den dunklen Weg zu bestrahlen.

Doch wer knipst sie an? Wer sorgt dafür, dass wir nicht über jedes Loch treten, jeden schlecht geparkten E-Roller und jeden tückisch hohen Bordstein stolpern?

Berlins Straßenbeleuchtung im öffentlichen Raum fällt in die Zuständigkeit der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, wird heute vom landeseigenen Unternehmen Stromnetz Berlin betrieben und per Funk an- und ausgeschaltet. Das betrifft sowohl die mehr als 202.000 Elektroleuchten, als auch die 23.000 Gasleuchten. Darunter sind auch die circa 5000 Leuchten in Berliner Grünanlagen, die sich in der Eigenzuständigkeit der Bezirke befinden.

Das Netz wird von Stromnetz Berlin überwacht und wenn es dämmert – und dank der modernen Beleuchtungsstärkemessgeräte weiß man ganz genau, wann der richtige Moment gekommen ist, wird ein Schalter betätigt. Dann schießt ein Funksignal durch das gesamte Netzwerk wie ein Blitz. So wird es wieder hell in Berlin.

Wie war es aber früher? Die Antwort auf diese Frage findet sich in Wedding, in der direkter Nähe es Erika-Heß-Eisstadion, am Vorbecken des Nordhafens. Hoch über der Sellerstraße, auf dem Dach des Umspannwerks Scharnhorst, einer von Hans Müllers „Kathedralen der Elektrizität, installierte man 1930 die weltweit erste „Lichtwarte“.

Das verglaste oktogonale Häuschen, die an die Leuchttürme erinnert, war eine einzigartige Lichtüberwachungszentrale der Stadt. Von dort wurde die gesamte elektrische Straßenbeleuchtung Berlins gesteuert. Die Anlage verfügte über einen Brennkalender, ein einfaches, aber sehr nützliches Gerät, das es dem Lichtwächter ermöglichte, die Schaltzeit und Brennstunden zu ermitteln, bevor die modernen fotoelektrischen Empfänger und Lux-Meter eingeführt wurden.

Durch Beobachtung konnte man feststellen, ab welchen Moment Berlin künstliches Licht brauchte. Die Lichtwarte schickte das Signal und die Lampen fingen an zu leuchten. Die Schaltung einzelner Leuchten erfolgte auf drei Wegen: durch die elektrische Fernsteuerung, durch Einzelsteuerung mittels Uhren. Dort, wo die Straßenlampen noch nicht nachgerüstet waren, wurden sie per Hand von Nachtwächtern angeknipst.

Die insgesamt vier Messstellen in Berlin erlaubten relativ genaue Überwachung der Lichtverhältnisse. Und der Lichtwächter, der fast 30 Meter über der Stadt thronte, konnte von dort kontrollieren, ob alle Beleuchtungsgebiete im Stadtzentrum auch schön hell blieben. Erst die Einführung von fotoelektrischen Geräten und der Schaltautomatik machten seinen Job überflüssig.

Die kriegsbedingte Verdunkelung der Stadt Anfang der 1940er-Jahre machten aus der Lichtwarte einen Überwachungsstützpunkt der finsteren Mächte: Von dort konnte man nämlich die Luftangriffe vorausschauen und beobachten. Wie durch ein Wunder überstand das Weddinger Umspannwerk und die Lichtwarte den Krieg. Und so können sie heute noch bestaunt werden.

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