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Rumpf des Flugbootes Ro X „Romar“ nach der Ankunft der zerlegten Maschine in Travemünde, August 1928.

© San Diego Air and Space Museum Archive

Flugbootbau 1928 in Berlin-Mitte: Als die „Romar“ durch den Sprengelkiez rollte

In Folge 26 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte geht es um die Tücken des Flugzeugbaus fernab eines Flugplatzes.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

Als die Interalliierte Militär-Kontrollkommission im November 1922 Adolf Rohrbachs visionären Flieger, eine E 4/20 Zeppelin-Staaken, abwracken ließ, kochte der Ingenieur von Wut. Handelte es sich doch um das erste komplett aus Metall gefertigte Verkehrsflugzeug der Welt. Rohrbach hatte es für die Beförderung von 18 Personen entwickelt.

Grund für die Verschrottung war der Versailler Vertrag nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg: Demnach durfte Deutschland nur wenige Flugzeuge bauen. Die Siegermächte sahen die Gefahr, dass sie statt ziviler Passagiere auch Bomben transportieren könnten. Das „Air & Space Magazine“ der amerikanischen Smithsonian Institution würdigte gleichwohl, dass Rohrbachs Maschine ein „gutes Dutzend Jahre vor allen anderen Verkehrsflugzeugen in der Welt“ konstruiert worden war.

Rohrbach verließ die Firma und gründete in der Friedrichstraße 203 sein eigenes Konstrukteursbüro. Die Bestellungen trudelten nicht nur aus dem Inland ein, es gab Aufträge aus Großbritannien, der Türkei, auch der japanische Mitsubishi-Konzern meldete Interesse an Zusammenarbeit an.

Seiner Zeit voraus: Das von Adolf Rohbach konstruierte Metallflugzeug Zeppelin-Staaken E4-20 musste 1922 verschrottet werden. So sah es der Vertrag von Versailles vor.

© Facebook/Airliner Raritities

Die von Adolph Rohrbach entworfenen Flugzeugteile wurden aber nicht in Berlin, sondern in Kopenhagen gebaut: Seine zweite, in Dänemark angemeldete Firma half den Deutschen, die drakonischen Auflagen des Versailler Vertrags und der Kontrollkommission zu umzugehen.

Im Jahr 1924 kauften Rohrbachs Metallflugzeugwerke eine Fabrikhalle in einem Wohngebiet in Wedding – mutmaßlich, um eine erneute Beschwerde und mögliche Zerstörung seiner nächsten Maschine zu vermeiden. Fernab aller Flugplätze wollte er Passagiermaschinen fertigen. Dafür hatte Rohrbach im Vorjahr einen Kreditantrag beim Reichswehrministerium gestellt, da er trotz des Verbots tatsächlich auch die Fertigung von Militärflugzeugen in Dänemark plante. So kam er an das Kapital auch für sein ziviles Projekt und konnte die Halle im Sprengelkiez, die ursprünglich als Tarnung dienen sollte, zur Fabrik ausbauen.

Niemand Geringeres als Werner March – der spätere Architekt des Olympiastadions – entwarf die 60 mal 46 Meter große Halle, die drei Jahre später aber erweitert werden musste. Sonst wäre es unmöglich gewesen, Adolf Rohrbachs neuestes Meisterwerk für die Deutsche Luft Hansa AG (seit 1933 „Lufthansa“) zu bauen. Es ging um den Bau von drei Flugzeugbooten, die jeweils zwölf Passagiere über den Atlantik befördern können sollten. Ende Juli 1928 waren alle Bauteile der ersten Maschine vom Typ Ro X fertig.

Rumpf des Rohrbach Ro X „Romar“ in den Straßen von Berlin-Wedding 1928.

© San Diego Air and Space Museum Archive

Der Sprengelkiez erlebte damals ein besonderes Spektakel: Um die Maschine nach Travemünde an der Lübecker Bucht zu bringen, wo sie am 7. August einen Testflug absolvieren sollte, musste man erst ihre Teile aus der Halle in der Sprengelstraße manövrieren. Die Länge des vormontierten Rumpfes (22 mal 25 Meter) entsprach fast genau der Breite der Straße. Auch die Länge der beiden Tragflächen war beachtlich. Alle Teile mussten eine enge Einfahrt nehmen, um über die Torfstraße und Straße Nordufer bis zum nahe gelegenen Nordhafen gerollt zu werden. Weiter ging es auf dem Wasserweg.

Rohrbachs Chef-Testpilot Hermann Steindorff und ein ehemaliger Hauptmann der türkischen Armee saßen am Steuer, als das Riesenflugboot Rohrbach Ro X „Romar“ am 7. August 1928 in Travemünde abhob. Der Flug verlief laut der Berliner Volkszeitung „glatt und sicher“.

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