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Dachgarten des Maurermeisters Carl Rabitz in Berlin. Abbildung aus der Schrift von Rabitz, Verfassung von Theofil Bittkow „Naturdächer von vulkanischem Cement“, 1867 via Google Books.

© gemeinfrei

Pionier des Dachgartenbaus: So warb Mauermeister Carl Rabitz 1867 für seinen „Vulkanzement“

In Folge 17 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über die Geschichte der Berliner Wirtschaft geht es um einen Bauunternehmer, dessen Konzept erfrischend modern klingt.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

| Update:

Es ist, genau wie in Tucholskys „Das Ideal“, der Berliner Traum: „Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße“. Dicht mittenmang zu leben, aber mit Eichen im Dachgarten. Es ist auch verständlich: Grün ist gesund. Für die Stadt und für alle, die sie bewohnen. Das wusste man schon um 1867, als Maurermeister und Bauunternehmer Carl Rabitz für die Idee eines Naturdaches warb.

Obwohl heute fast schon komplett vom Trockenbau verdrängt, war Rabitzbauweise – seine vielleicht bekannteste Entdeckung – eine Revolution. Die Rabitzwände kennen noch manche Altbau-Bewohner, die versucht haben, ein Bild daran zu hängen. Da eine Rabitzwand aus verputztem Drahtgewebe besteht, sind solche Versuche meistens zum Scheitern verdammt.

Aber Carl Rabitz, der mit seiner Familie in damaligen Invalidenstraße 66g residierte, hatte noch mehr geistreiche Ideen anzubieten. Wie die begrünten Flachdächer, die er selbst „Naturdächer“ nannte und die „hängende Gärten“ zwischen Schornsteinen und Schloten bilden sollten.

Das Mausoleum der Familie Rabitz auf dem Berliner Invalidenfriedhof, um 1925.

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Es ist kaum zu glauben, dass die folgenden Worte nicht aus einem Klimaschutz-Manifest des Jahres 2023 stammen, sondern aus einer 1867 herausgegebenen Broschüre: „Wären die Häuser mit Naturdächern gedeckt und mit Gartenanlagen oder Wiesenwachs versehen, wo würde die heiße Luft, welche das Leben in großen Städten so ungesund macht, fast gänzlich verschwinden (…) Wenn die mit Gartenanlagen versehenen Naturdächer nun täglich gesprengt werden (…), so wird durch das verdampfendes Wasser eine solche Wärmemenge gebunden, dass es selbst in den Straßen kühl werden muss.

Um zu zeigen, dass es funktioniert, bebaute Carl Rabitz das Flachdach des Seitenflügels um zum Rabitz’schen Naturdach mit einem Dachgarten, wo er und seine Frau Kürbisse, Weintrauben und Blumen anbauten, während ihre drei Kinder auf dem Rasen zwischen den Beeten spielen könnten.

Eine Glastür in ihrer Beletage-Wohnung gewährte direkten Zugang zu dem kleinen Paradies, das man ebenfalls über eine Treppe von unten betreten konnte. Bevor es jedoch mit dem Aufbau des Gartens losgehen konnte, musste Carl Rabitz sicherstellen, dass er den Hauptfeind alle Maurermeister im Griff hatte: die Feuchtigkeit.

Dafür nutzte er „vulkanischen Cement“, eine Mischung aus Portlandzement und vulkanischen Gestein aus der Eifel. Damit wurde das flache Dach beschichtet und für Feuchtigkeit undurchlässig gemacht. Gleichwohl profitierten auch die Räume unter dem Dach von einem viel besseren Mikroklima: Sie waren kühler im Sommer, wärmer im Winter. Gäste der Familiengäste waren begeistert, heißt es.

Carl Rabitz wurde vom König zum Hofmaurermeister ernannt. Diese Porträtaufnahme entstand um das Jahr 1890.

© picture alliance / akg-images/akg-images

Mit so einem positiven Feedback entschloss sich der Bauunternehmer, den der König (bald Kaiser) Wilhelm I. zum Hofmaurermeister ernannte, sein Projekt auf der damals größten möglichen Bühne für Handwerker und Unternehmer vorzustellen: die Weltausstellung 1867 in Paris.

Unter den insgesamt mehr als 50.000 Ausstellern dort waren Firmen wie Krupp, die mit ihrer „Dicken Bertha“, die damals größte Kanone der Welt, vorstellte. Aus Berlin für Preußen kamen auch der Industriekonzern Borsig, der Klavierhersteller Bechstein – und eben Carl Rabitz, der ein Gips- und ein Zimmerwerkmodell seines eigenen Hauses samt Dachgarten präsentierte.

Ein paar Jahre später beschrieb die „Bauwerks-Zeitung“ (Ausgabe von 9. August 1874) Rabitz’ Dachgarten als Musteranlage. Praktischerweise ließ Rabitz den für Dachgärten angeblich unverzichtbaren Vulkanzement in einer Fabrik in der Scharnhornstraße 7 produzieren. So machte er dem Plaisir eines Dachgartens ganz nebenbei noch ein richtig jutet Jeschäft.

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