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Berlin: Bildungssenator von der Wirklichkeit überholt

Böger stützte sich bei seinen Prognosen über Lehrer-Einstellungen auf alte Zahlen. Jetzt sinken die Chancen für junge Pädagogen

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Jeder vierte Lehrer in Berlin ist älter als 55 Jahre. Immer weniger Lehrkräfte gehen vorzeitig in den Ruhestand, weil dies seit 2001 ihre Pensionen mindert. Deshalb haben junge, frisch ausgebildete Referendare kaum noch eine Chance, in den Schuldienst zu kommen. Die Bildungsgewerkschaft GEW hat diesen Zustand kritisiert und gestern darauf hingewiesen, dass auch die Ausbildung zum Lehrer beinahe ein Privileg für ein paar Glückspilze ist.

Von 1300 Bewerbern könnten 2005 nur noch 281 einen Referendariatsplatz bekommen, teilte die GEW mit. Das liege daran, dass der Senat 200 Stellen für die praktische Ausbildung gestrichen habe, um Geld zu sparen. 2006 sollten weitere 200 Referendarstellen wegfallen. Das hatte der rot-rote Senat schon auf der Klausurtagung zum Doppelhaushalt 2004/05 beschlossen. Nach Angaben der GEW warten künftige Pädagogen nach dem ersten Staatsexamen bis zu drei Jahre auf ein Referendariat. Und etwa 3000 fertig ausgebildete Lehrer seien „in der Warteschleife“. Das Problem, in absehbarer Zeit einen Arbeitsplatz zu finden, wird sich nach Meinung der Gewerkschaft noch verschärfen. Im Schuljahr 2005/06 gingen so wenig Lehrer in Pension, dass nur 240 Stellen für junge Lehrkräfte frei würden. Die Schulverwaltung konnte gestern nicht nachvollziehen, woher diese Zahl stammt. Sprecherin Rita Hermanns bestätigte aber, dass die Prognosen, auf die sich Schulsenator Klaus Böger (SPD) bisher stützte, überholt sind.

Böger war davon ausgegangen, dass auch künftig knapp 1000 Lehrer – vorwiegend aus Altersgründen – jedes Jahr aus dem Berliner Schuldienst ausscheiden. Aus diesem Kontingent wurden für das laufende Schuljahr schon mal 250 Stellen vorfristig verwendet, um „fachspezifischen Mehrbedarf“ abzudecken. Übrig blieben also für das kommende Schuljahr 750 Stellen für neues Personal. Das hatte Böger öffentlich verkündet. Jetzt stellt sich heraus: Er hatte sich auf Statistiken seiner Behörde verlassen, die von der Realität inzwischen überholt wurden.

Tatsache ist: Ab 1. Januar 2001 wird Beamten, die vor der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand gehen, die Pension gekürzt. Seitdem ist die Frühpensionierung nicht mehr so attraktiv. Innensenator Ehrhart Körting kannte das Problem offenbar besser als der Kollege Böger. Dem Versorgungsbericht der Innenverwaltung vom Mai 2004 ist zu entnehmen, dass seit 2001 fast nur noch halb so viele Lehrer in den Ruhestand gehen wie im Jahr 2000. Im vergangenen Jahr waren es noch 492. Das Thema wurde gestern auf einer Sitzung der Schulverwaltung mit dem Lehrergesamtpersonalrat behandelt. Die GEW und die Opposition im Abgeordnetenhaus bezweifeln, dass bei weniger neuen, jungen Lehrern die geplanten Reformvorhaben in den Berliner Schulen vernünftig umgesetzt werden können.

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