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Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini (beide SPD) setzten sich gegen ihre Konkurrenten durch.

© Tagesspiegel/Lydia Hesse

Update

Entscheidung über Berliner SPD-Landesvorsitz: Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini gewinnen Mitgliederbefragung

In der Stichwahl der Mitgliederbefragung um den Berliner SPD-Vorsitz setzt sich das Favoriten-Duo aus Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini durch. Das passt nicht allen.

Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini haben die Mitgliederbefragung über den künftigen Landesvorsitz der Berliner SPD gewonnen. In der Stichwahl setzten sie sich mit 58,45 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen das Duo Jana Bertels und Kian Niroomand (41,55 Prozent) durch. Insgesamt gaben 52,46 Prozent der Berliner SPD-Mitglieder ihre Stimme ab – teilweise aus der ganzen Welt.

Damit setzte sich das Favoriten-Duo durch. Bereits im ersten Wahlgang hatten Neuköllns Bezirksbürgermeister Hikel und die frühere Sportstaatssekretärin Böcker-Giannini die mit Abstand meisten Stimmen geholt und mit 48,24 Prozent eine absolute Mehrheit nur knapp verpasst. Bertels und Niroomand waren im ersten Wahlgang auf 36,11 Prozent der Stimmen gekommen.

Es sei ein „starkes Mitgliedervotum“, sagte Martin Hikel. „Dieses Ergebnis muss sich bei allen künftigen Entscheidungen widerspiegeln, sowohl bei personellen als auch inhaltlichen.“ Das Ergebnis müsse nun in praktische Politik münden. Es brauche ein gemeinsames Angebot, das von allen in der Partei getragen werde – auch von jenen, die sich bei der Abstimmung anders entschieden haben, sagte Hikel.

Nach der Wahl: Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini

© Tsp / Christian Latz

„Wir haben eine Vorstellung, wie wir die Partei entwickeln wollen. Es geht uns um eine Entwicklung für unsere Zukunftsvision für Berlin 2035“, erklärte Böcker-Giannini. Sie kündigte eine Befragung und Gremien an, aus denen der Prozess für die Wahl 2026 abgeleitet werden soll. „Dafür müssen wir entsprechend aufgestellt sein und dafür brauchen wir in den entsprechenden Zukunftsfeldern die langen Linien“, so Böcker-Giannini.

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„Wir haben eine sehr, sehr klare Entscheidung der Partei“, sagte Wirtschaftssenatorin und Noch-Landesvorsitzende Franziska Giffey nach der Bekanntgabe des Ergebnisses. „Die wesentliche Aufgabe wird sein, diese Verteilung jetzt zu einem gemeinsamen 100 Prozent für die SPD zusammenzuführen.“ Vor dieser Aufgabe sehen sich auch Hikel und Böcker-Giannini: „Wir bringen die Partei nur voran, wenn wir alle Teile der SPD zusammenbringen“, so Hikel. „Wir freuen uns auf die Gespräche mit Kian Niroomand und Jana Bertels und allen, die sie unterstützen.“

Die wird es wohl geben: „Wir müssen von dem Landesparteitag ein starkes Signal senden“, sagte Kian Niroomand. Hikel und Böcker-Giannini bräuchten dort einen großen Rückhalt der Delegierten. „Anders werden wir mit der Partei nicht nach vorne kommen.“

Streitpunkt 29-Euro-Ticket

Mit dem 29-Euro-Ticket kristallisierte sich denn auch gleich ein erster Streitpunkt zwischen den Gewinnern der Mitgliederbefragung und der aktuellen Landesvorsitzenden heraus: „Wir wollen Glaubenssätze infrage stellen“, erklärte Hikel. „Wir werden das 29-Euro-Ticket nicht sofort abschaffen, sondern kritisch begleiten, wie es angenommen wird.“ Franziska Giffey sagte darauf: „Es wurden bereits fast 100.000 Tickets verkauft. Es gibt Versprechen, die man auch mal halten muss. Dann kann man gucken, ob es funktioniert hat oder nicht.“

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Einhellig äußerten beide Kandidaten-Duos scharfe Kritik am Fraktionschef und scheidenden Parteivorsitzenden Raed Saleh, der bei einer vorgezogenen Wahl am Dienstag erneut für den Fraktionsvorsitz antreten will. Die Mitglieder der SPD-Fraktion hatten am Freitag vergangener Woche eine Einladung zur Wahl des Fraktionsvorstands für kommenden Dienstag, den 21. Mai, erhalten. Einziger Kandidat: Raed Saleh.

„Wir wollen eine SPD aus einem Guss. Dazu gehört für uns auch die Fraktion. Wir haben immer gesagt, dass wir es für richtig halten, dass sich die Fraktion weiterentwickelt“, sagte Hikel. Am Ende bleibe dies den Abgeordneten vorbehalten. Dennoch müsse die Fraktion für sich entscheiden, „ob das Vorziehen der Vorsitzendenwahl die richtige Entscheidung war, auch in Anbetracht der Mitgliederbefragung.“

Noch deutlicher wurde Kian Niroomand: „Ich glaube, dass es in der Berliner SPD ein großes Bedürfnis nach einem Neustart gibt. Das kann man in der Fraktion nicht unbeachtet lassen.“ Niroomand kritisierte die kurzfristig angesetzte Wahl der Fraktionsspitze scharf. „Ich glaube, den Termin jetzt vorzuziehen ist genau der Stil, den viele in der Partei nicht mehr wollen. Das Votum im ersten Wahlgang war da sehr eindeutig.“ Damals war Saleh gemeinsam mit Luise Lehmann angetreten und abgeschlagen auf Platz drei gelandet.

Die Berliner Jusos zeigten sich enttäuscht vom Ergebnis. Die Mehrheit der Genossinnen und Genossen, die abgestimmt hat, habe sich gegen einen linken Neustart und für einen CDU-nahen Kurs entschieden, hieß es am Sonnabend in einer Mitteilung der Juso-Vorsitzenden Svenja Diedrich und Kari Lenke. Aus ihrer Sicht muss bei der Auswertung des Ergebnisses eine „niedriggebliebene Wahlbeteiligung“ berücksichtigt werden. Es zeige, „dass sich knapp die Hälfte der Mitglieder zu der Frage des Landesvorsitzes nicht entscheiden wollte.“ 

Hikel und Böcker-Giannini gelten parteiintern als eher bürgerlich-konservative Vertreter. In ihrem Wahlkampf hatten sie mehrfach betont, von dem Prinzip der gebührenfreien Stadt für alle abkehren zu wollen. Zugleich hat damit das Duo die Abstimmung gewonnen, das bislang innerhalb der Parteigremien am wenigsten vernetzt ist.

Nach dem Sieg bei der Mitgliederbefragung werden Hikel und Böcker-Giannini nun auf dem SPD-Parteitag am Sonnabend in einer Woche am 25. Mai kandidieren. Dort sollen sie dann offiziell zu den neuen Parteivorsitzenden gewählt werden und die bisherige Parteiführung um Giffey und Saleh ablösen. Das Votum der Mitglieder aus der Stichwahl ist für den Parteitag rechtlich nicht bindend. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass sich die Delegierten darüber hinwegsetzen könnten. 

Noch nicht sicher ist, was das Votum der Mitglieder für die SPD, die in Berlin als Juniorpartner zusammen mit der CDU regiert, innerhalb der Koalition bedeutet. Einfacher wird das Regieren nicht, wie aus beiden Parteien zu hören war. Denn der Regierende Bürgermeister und CDU-Landeschef Kai Wegner brauchte sich bisher zum Absprechen wichtiger Themen nur mit SPD-Fraktions- und Parteichef Raed Saleh beim Italiener in Spandau zu treffen. Jetzt hat Saleh nicht mehr das politische Gewicht wie zuvor. Wegner muss sich im Zweifelsfall auch mit der SPD-Doppelspitze abstimmen. Das ist eine Schleife mehr im politischen Entscheidungsprozess.

Doch nicht nur das: Bisher war sicher, dass der Fraktionschef die gleiche Meinung hatte wie der Parteichef – schließlich war beides Saleh. Künftig sind hier inhaltliche Differenzen denkbar oder sogar wahrscheinlich.  (mit dpa)

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