zum Hauptinhalt

Berlin: Friedrich der Dreifache

Der Alte Fritz reitet abends mit zwei Doppelgängern durchs Scheinwerferlicht – was er wohl dazu zu sagen hat?

Was starrt ihr so? Ja, ihr habt recht gesehen: Wir kommen zu dritt. Abend für Abend. Nachts. Wir reiten bis zum Morgen. Ich, noch immer als erster Diener seines Staates, und zwei Getreue. Meine guten Geister. Ich brauche sie. Wie nennt ihr das heute in eurer Zeit? Personenschutz? Ratgeber? Berater gar, wo enger Horizont viel Geld verlangt und, leider, auch bekommt aus leeren Kassen? Auch ich kann ein Berater sein, ohne Vertrag und Honorar: Eine gut geleitete Staatsregierung muss ein ebenso fest gefügtes System haben wie ein philosophisches Lehrgebäude. Alle Maßnahmen müssen gut durchdacht sein, Finanzen, Politik und Heerwesen auf ein gemeinsames Ziel steuern – die Stärkung des Staates.

Manchmal, dünkt mich, seid ihr von allen guten Geistern wohl verlassen. Eines Abends hör’ ich, wie ein einsamer Mensch, ein rechter Berliner Schlüngel, zu mir aufschaut und ruft: „Lieber Fritz, steig’ du hernieder und regier’ uns endlich wieder! Laß in diesen schlechten Zeiten lieber unsern Gerhard reiten!“ Ach, das hab ich schon einmal gehört. Es ist ein großer Irrtum zu glauben, Menschenwerk könne vollkommen sein. Man muss sich gegenseitig verbinden. Die Treue und die Aufrichtigkeit sind sehr wesentliche Tugenden für die Gesellschaft, sie bringen den Menschen große Vorteile und tragen viel dazu bei, sie wechselseitig glücklich zu machen. Wir müssen unseren Nächsten lieben wie uns selbst, wir müssen immer für andere tun, was wir für billig halten würden, daß sie für uns täten.

Die größte Freude, die ein denkender Mensch auf Erden haben kann, besteht in der Entdeckung neuer Wahrheiten. Merkt euch doch endlich einmal: Froher Mut macht uns zu Göttern, mürrischer Ernst zu Teufeln. Der Trübsinn ist eine Art von Geiz, der die Menschen des Glückes beraubt, welches sie genießen könnten. Die Toleranz muss jedem Bürger die Freiheit lassen zu glauben, was er will. Aber sie darf nicht so weit gehen, daß sie die Frechheit und Zügellosigkeit junger Hitzköpfe gutheißt, die etwas vom Volke Verehrtes dreist beschimpfen.

Das ist meine Ansicht. Ja, wirklich, ich wiederhole, was ich schon vor 250 Jahren gedacht habe: Am glücklichsten ist das Land, wo gegenseitig Nachsicht, zwischen Herrscher und Untertanen waltend, über die Gesellschaft jene Stimmung liebenswürdiger Milde ausgießt, ohne die das Dasein zur schweren Bürde und die Welt aus einem Schauplatz der Freude ein Tal der Bitternisse wird.

Meine Schattengeister sind übrigens entstanden, weil jemand die Scheinwerfer, mit denen man mich und meinen Tugendpfad Unter den Linden erleuchtet, sehr geschickt operieret hat. Ein kleines technisches Spiel, das die Spaziergänger ebenso zu Deutungen verführt wie Redakteure, in meinen Schriften herumzustochern, um das Passende für ihr Traktat zu finden. Zu meiner Zeit habe ich gefragt, ob die Elektrizität samt allen Wundern, die sie erschließt, nur unsere Neugier erregt: Wird darum weniger Straßenraub getrieben? Sind die Steuereinnehmer weniger geldgierig geworden? Geht man gewissenhafter mit dem anvertrauten Geld um? Wird weniger verleumdet? Ist die Mißgunst erstickt? Hat die Hartherzigkeit nachgelassen? – ach, antwortet selbst, setzt euch vor den Apparat mit den bunten Bildern oder treibt andere Fickfackereien. Adieu!

Ihr lieben Bürger, wenn’s behagt,

Die Lehre nehmt aus der Geschicht’,

Daß selbst die größte Kunst versagt

Wenn es an Mitteln ihr gebricht!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false