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Berlin: Geschichtsstunde in kurzen Hosen

Kulturstaatsministerin Christina Weiss und Bildungssenator Klaus Böger luden Schüler in den Fußball-Film „Das Wunder von Bern“

Als Bildungssenator Klaus Böger sich am Ende, nach dem entscheidenden Tor, eine Träne von der Wange wischt, sind die Augen der anderen Kinobesucher längst wieder trocken. Böger hat gemeinsam mit der Kulturstaatsministerin Christina Weiss an diesem Vormittag 1000 Berliner Schülerinnen und Schüler „als kleine Geschichtsstunde“ in den Film „Das Wunder von Bern“ eingeladen.

Der Film handelt bekanntlich vom Sieg der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der WM 1954. Er zeigt, wie ein am Boden liegendes Deutschland seinen Stolz zurückerobert. Das rührt an – zumindest die Älteren. Aber auch die sonst durchweg lachenden und klatschenden Schüler im Zoopalast werden an einer Stelle plötzlich ganz ruhig. Es kullern die Tränen – als der Vater am Geburtstag die Kaninchen des Sohns schlachtet. Ansonsten amüsieren sich die 13- bis 16-Jährigen vor allem über die Mode der 50er Jahre. Und wenn der große Bruder den jüngeren vor dem Vater beschützt, setzt jedesmal donnernder Applaus ein.

„Wir müssen mal sehen, was die Kinder aus dem Film mitnehmen“, sagt Klaus Böger hinterher, „Ich hasse den pädagogischen Zeigefinger, der fragt: Und, was sagt uns dieser Film?“ Böger ist aber sicher, „dass der Film in zwei Stunden emotional über die Nachkriegszeit mehr vermitteln kann als ein Jahr Schulunterricht“. Und die Kulturstaatsministerin findet es „erst einmal schön, dass man mit jungen Leuten einen Film anschauen und hinterher darüber reden kann“.

Angela, Verena und Sabanur sehen das nicht ganz so locker. Die Zehntklässlerinnen müssen im Deutschunterricht über den Film eine Erörterung schreiben. „Ich hab’ mir die Zeit nach dem Krieg viel schlimmer vorgestellt, viel zerstörter und dass alle hungern“, sagt Verena erstaunt. Die Leute in den Kneipen hätten aber alle ziemlich fröhlich ausgesehen. Sabanur denkt noch immer an die geschlachteten Kaninchen. Und Verena will in der Arbeit vielleicht doch lieber das andere Thema nehmen: Tiere in der Manege. In der Reihe vor den Mädchen sitzen Steven, Berk und Cem. Sie stehen mehr auf Oliver Kahn als auf Helmut Rahn und hatten eigentlich einen Fußballfilm erwartet. Einer, in dem Deutschland zeigt, dass es „auch etwas anderes kann, als Kriege führen“. Aber jetzt ist Cem vor allem erleichtert, „dass der Vater am Ende nicht mehr so streng mit seinem Sohn war“. Und Steven sagt nickend: „Der Vater hat selbst aus seinen Fehlern gelernt. Das ist gut von dem.“

Das war es dann aber auch schon mit der Analyse, denn zur Vorstellung an diesem Morgen sind auch die Hauptdarsteller selbst ins Kino gekommen. Und mit einem mal beschäftigt 1000 Jugendliche nur noch eine Frage: Wo kriege ich einen Zettel für ein Autogramm her? Am meisten mit Fragen gelöchert wird der Schauspieler Peter Lohmeyer, dessen 13-jähriger, leiblicher Sohn auch im Film seinen Sohn spielt. Ganz so einfach sei der Kleine allerdings nicht an die Rolle gekommen, sagt Lohmeyer: „Der musste sich die Rolle genau so erkämpfen wie jeder andere Schauspieler auch.“

Als die Schüler aus dem Kino kommen, ist es kurz nach zwölf, die Sonne scheint. Der Rest des Tages ist schulfrei. „Lass uns zu McDonald’s gehen“, sagt einer. Und als die Gruppe loszieht, sagt ein anderer: „Eigentlich könnten wir doch auch mal wieder kicken.“

Juris Lempfert

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