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Berlin: Landleben für Anfänger

Brötchen backen und Kühe besuchen: zu Gast auf dem Erlebnis Bauernhof der Grünen Woche

Einst flog man nach Amerika, um etwas zu erleben – heute fährt man aufs Land. Allerdings ist es nicht mehr da, wo man es vermuten würde: Neuerdings befindet sich das Land in Halle 3.2 des Messegeländes und heißt „Erlebnis Bauernhof“.

Teil des Erlebnisses ist Michael Steege: Er zeigt einer fünften Klasse gerade, wie man Brötchen bäckt. „So was habe ich noch nie gemacht“, sagt Dana. „Nur Kuchen aus einer Fertigmischung.“ Die nächste Station: Der Metzger, hinter einer Glasscheibe. „Das ist wegen der Hygiene“, verkündet Dana. Mit so etwas kenne sie sich aus, ihr Vater sei Mediziner. Was sie nicht weiß: Woraus ein Schnitzel ist. „Aber es kommt bestimmt aus Wien“, fügt sie rasch hinzu.

Etwa 20 Meter vom Metzger entfernt haben die Schweine ihr Quartier, 25 Ferkel schlafen da. Vor dem Gehege steht ein kleines Mädchen, reglos und stumm. Es ist das erste Mal, dass Stella echte Ferkel sieht. „Aber was Zitzen sind, weiß ich“, sagt die Achtjährige, „ich kenne ja Babe.“ So heißt das Schwein in dem Kinofilm „Ein Schweinchen namens Babe“. Kühe greifen seltener tragende Rollen ab; vielleicht kann deshalb keiner der Fünftklässler am Kuhstall die Frage beantworten, wo die Kuh das Euter hat.

Besser informiert ist da „Astronaut“, der Melkroboter: „Reinigt Euter und Zitzen, hängt Melkbecher an und melkt“, steht im Begleittext zu dem vier Meter langen Gerät, Kostenpunkt 130 000 Euro. Und nicht nur das: Astronaut „kennt jede einzelne Kuh“, heißt es weiter. Das klingt schon fast nach einem Vertrauensverhältnis, ist in Wirklichkeit aber eine Totalüberwachung: Jede Kuh trägt ein rotes Halsband mit einem Sender, dessen Inhalt vom Roboter eingelesen und an den Rechner des Bauern übermittelt wird.

Ein bisschen erinnert dieser Sender an einen elektronischen Fingerabdruck, nur dass er kuhrelevante Informationen speichert: Zitzenkoordinaten, Melkgeschwindigkeit, Menge der gegebenen Milch und des verabreichten Futters. Diese beiden stehen in einem klar umrissenen Verhältnis zueinander: „Ob die Kühe Anrecht auf Kraftfutter haben“, sagt Markus Weber, „hängt davon ab, wie viel Milch sie geben.“ Dabei sind Futter und Milch für den Agraringenieur offenbar so eng verquickt, dass er sie mitunter ganz verwechselt: „Jana bekommt heute noch 20 kg Milch“, murmelt Weber mit Blick auf den Rechner, als die Kuh mit der Nummer 131 den Melkroboter aufsucht. Wahrscheinlich rechnet er im Kopf schon aus, wie viel Milch Jana daraus produzieren wird. „Kühe sind wie Hochleistungssportler“, sagt Weber. Und die brauchen bekanntermaßen gute Manager. Demnach ist Webers Antwort auf die Frage, was er denn nun mache, anstatt zu melken, durchaus folgerichtig: „Ich verbessere mein Management“, sagt er. Das Leben auf dem Lande – schöne neue Welt.

Heute ist „Lange Nacht“ auf der Grünen Woche – da ist von 10 bis 21 Uhr geöffnet.

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