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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Muss ich mich fotografieren lassen?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Wir waren mit acht Leuten im Familienkreis unterwegs. Ich bat die Schwägerin, keine Fotos von mir zu machen. Darauf zückte ihr Ehemann sein Handy. Ich sagte ihm „Bitte nicht in meine Richtung“. Darauf erwiderte er mit einem langgezogenen „Jaaa“, um mich dann zu fotografieren und das Ergebnis stolz seiner Frau zu zeigen. Als diese ihn darauf hinwies, dass ich doch nicht fotografiert werden wollte, sagte er nur „Na und, sie ist doch keine öffentliche Person“. Nun meide ich Familientreffen.

Helga, abgeschossen

Mit diesem Schwager scheinen Sie ja echtes Pech zu haben. Nicht nur, dass er offenbar rücksichtslos und rüpelhaft agiert, er ist auch noch komplett uninformiert, vielleicht auch einfach nur dumm. Leider gehen solche negativen Attitüden aber gern mal Hand in Hand. Es ist genau umgekehrt: Wären Sie eine öffentliche Person, wäre es mitunter in Ordnung, Sie zu fotografieren. Das sind Sie aber nicht, also müssen Sie gefragt werden. Da Sie von sich aus schon gebeten hatten, keine Aufnahmen zu machen, war die Situation eigentlich glasklar. Wer sich daran nicht hält, handelt nicht nur unsensibel, sondern gemein. Ganz schlimm finde ich es, dass der ungehobelte Schwager Ihnen nun auch noch die Lust auf Familientreffen verhagelt hat. Leider ist das Problembewusstsein in dieser Hinsicht insgesamt aber noch nicht sehr ausgeprägt. Darauf lassen auch Reaktionen auf eine ähnliche Frage schließen, die an dieser Stelle kürzlich behandelt wurde. Die Geschichte der Mobiltelefone mit integriertem Fotoapparat ist noch nicht sehr alt. Mit den Möglichkeiten können viele Menschen offensichtlich nicht umgehen, die in Zeiten, da jeder Abzug einzeln kostete, gewiss zu geizig gewesen wären, andere Menschen einfach so zu fotografieren. In manchen Kulturen wollen Menschen überhaupt nicht fotografiert werden, und auch in diesen Breiten gibt es viele gute Gründe, warum jemand das nicht möchte. Sie sollten vielleicht auch andere Familienmitglieder bitten, mäßigend auf den ungezogenen Schwager einzuwirken. Vielleicht wird man ihm keine Manieren mehr beibringen können. Aber wenn er merkt, dass sein Ansehen im Familienkreis leidet, reißt er sich vielleicht ein wenig zusammen.

Senden Sie Ihre Frage bitte per Mail an: meinefrage@tagesspiegel.de

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