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Berlin: Wer an der zehntägigen Intensivmeditation im Kreuzberger Zen-Tempel teilnimmt, braucht Disziplin

Der Tag verläuft nach strengen Regeln und in völligem Schweigen: vier Uhr morgens aufstehen, 21.30 Uhr ist Schlafenszeit.

Der Tag verläuft nach strengen Regeln und in völligem Schweigen: vier Uhr morgens aufstehen, 21.30 Uhr ist Schlafenszeit. Dazwischen liegen über fünf Stunden Meditation. Auch das Essen - rein vegetarisch - folgt einem genau festgelegten Ritual. Nichts soll die Konzentration stören. Die zehntägige Intensivmeditation im Internationalen Zen-Tempel in der Oranienstraße 22 verlangt äußerstes Durchhaltevermögen.

"Für Anfänger ist das nicht zu bewältigen", sagt Tae Gong. Der Erzieher ist seit zehn Jahren praktizierender Buddhist und hat sich vor eineinhalb Jahren dem Zen-Meister Seong Do aus Korea als Schüler angeschlossen. Der 56-jährige buddhistische Mönch lehrt als einziger in Deutschland den klassischen Koan-Zen-Buddhismus der chinesisch-koreanischen Tradition. Ziel sei es, die fünf Sinne sowie das Denken und Empfinden einzig auf die Frage zu konzentrieren "Wer bin ich?" und damit zu einem "reinen Bewusstsein" zu kommen, erklärt Tae Gong.

Dazu müssen sich die Teilnehmer der monatlichen Intensivmeditation zwei Mal täglich auf symbolische Art von den 108 Leidenschaften des Daseins befreien. Dies geschehe durch die sogenannten "Niederwerfungen", eine Art Verbeugung, erklärt Tae Gong. Doch trotz der strengen Regeln nehme seit der Gründung des Zen-Tempels vor einem knappen Jahr die Zahl der Interessierten ständig zu. Beim letzten Mal waren es 48 Frauen und Männer, die sich den asketischen Ritualen unterzogen.

Wöchentlich angeboten werden außerdem Meditationsübungen sowie Vorträge des Zen-Meisters. Neben Deutschen gehörten auch Engländer, US-Amerikaner, Polen und Italiener zu den regelmäßigen Besuchern, berichtet Tae Gong. Zu Wochenendseminaren reist der Meister gelegentlich auch nach Köln oder München.

In Kreuzberg führt der Weg zum Tempel durch zwei Toreingänge auf einen Hinterhof. Die erste Etage des ehemaligen Fabrikgebäudes strahlt mit seinen weißen Wänden, hellen Bastmatten und zahlreichen Pflanzen eine einladende Atmosphäre aus. Im Andachtsraum dominiert eine goldfarbene Buddha-Statue, Schriftzeichen schmücken die Wände. Doch die schlichte Gestaltung bietet kaum Ablenkung.

Der Buddhismus helfe den Menschen, sich von Bewertungen und Abhängigkeiten frei zu machen und in der unmittelbaren Gegenwart zu leben, versucht Zen-Meister Seong Do das wachsende Interesse an seiner Religion im westlichen Kulturkreis zu erklären. Ziel sei es, sein Leben aus eigener Kraft und Verantwortung zu führen. Jeder könne diesen "glücklichen Geisteszustand" erreichen, betont der Meister. "Die buddhistische Lehre ist einfach."

Übung und Ausdauer sind allerdings Voraussetzung. Auch nach jahrelanger Praxis, räumt Tae Gong ein, brauche er immer noch einige Zeit, um sich in den Zustand höchster Konzentration zu versetzen. Und auf die Frage, ob es nicht schwierig sei, die buddhistischen Einsichten anzuwenden, gibt Seong Do zur Antwort, das müsse sich schon jeder selbst beantworten. "Denn", so der Meister, "die Welt entsteht aus deinem Bewusstsein."

Gesine Wolfinger

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