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Berlin: „Wir dürfen die Symphoniker nicht im Stich lassen“

Alt-Bundespräsident Walter Scheel schreibt Bittbriefe – damit das Orchester finanziell überlebt

INTERVIEW

WALTER SCHEEL (84) ist Ehrenvorsitzender der FDP. Er war von 1974 bis 1979 Bundespräsident und von 1969 bis 1974 in der Ära Brandt Bundesaußenminister und Vizekanzler. Foto: ZB/Franke

Alt-Bundespräsident Walter Scheel schreibt dieser Tage politische Briefe: Im Namen der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus setzt er sich für die Berliner Symphoniker ein. Der Senat will den Musikern den jährlichen Zuschuss von drei Millionen Euro streichen – das wäre wohl das Ende des Orchesters. Im Interview erklärt der FDP-Politiker, was ihm die Symphoniker und Berlins Kulturangebot bedeuten und warum er sich für Sympathiewerbung entschieden hat.

Herr Scheel, Sie setzen sich dafür ein, dass es die Berliner Symphoniker weiterhin gibt – warum?

Ich wohne seit drei Jahren in Berlin, und Berlin fasziniert mich, weil es mit seiner Kultur zeigt, was eine Metropole bieten kann. Nicht allein bei den Theatern, auch bei den Orchestern. Die Philharmoniker brauchen überhaupt keine Hilfe. Die Symphoniker, die ich für ein gutes Orchester halte, sind nun in Schwierigkeiten. Mir hat es große Freude gemacht zu sehen, dass die Symphoniker zum Beispiel Konzerte für die ganze Familie bieten. So etwas verdient öffentliche Hilfe. Man darf sie nicht im Stich lassen.

Sie sind viel unterwegs in Berlin. Was ist für Sie außer der Kultur attraktiv an Berlin?

Der Berliner selbst – der ja manche irritiert, weil er so schnell ist. Vieles an der Stadt ist bemerkenswert. Ich habe Berlin in einer Zeit kennen gelernt, als man über den Tiergarten ganz frei hinwegsehen konnte. Höher als 45 Zentimeter war da nichts mehr. Mit dem Regierungsviertel bin ich noch nicht ganz zufrieden. In anderen Städten ist das Regierungsviertel urbanen. Bei uns hat es einen eher landwirtschaftlichen Charakter. Das ist nicht mehr zu ändern.

Wieso landwirtschaftlich?

Wegen der Nutzung des Bodens. Normalerweise verdichtet sich die Bebauung, wenn man in das Zentrum einer Stadt kommt. Diese Weite, wenn Sie vom Reichstag herunterschauen – ich hätte mir da eher einen innenstädtischen Charakter gewünscht. Aber das Tempo, in dem Berlin aufbaut, das ist beeindruckend.

In der Hauptstadtdiskussion ist gefordert worden, den Status Berlins im Grundgesetz festzuschreiben.

Ich halte eine Grundgesetzänderung für das, was die Berliner Verwaltung erreichen möchte, nicht für notwendig. Da braucht man sich nur zu einigen. Es ist vollkommen gerechtfertigt, dass die Stadt Berlin sagt: Wir können das in unserem eigenen Etat nicht aufbringen, was zur Darstellung der Hauptstadt notwendig ist. Der Bund hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er tun will, was er kann und was er auch tun sollte. Der Bund will ja stolz auf Berlin sein. Ich bin das auf jeden Fall, und der Bund will es sicherlich auch. Ich glaube, wir können mit Optimismus in die Zukunft schauen - mit mehr Optimismus, als heute bei den Bürgern festzustellen ist.

Die Fragen stellte Werner van Bebber

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