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Auch Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts und ein Entschärfer-Kommando waren im Einsatz.

© Christoph Reichwein/dpa

Update

Anti-Terror-Einsatz in Castrop-Rauxel: 25-Jähriger war wegen Mordversuchs verurteilt 

Zwei Iraner sollen versucht haben, Giftstoffe für einen islamistisch motivierten Anschlag zu besorgen. Nun durchsuchen die Behörden zwei Garagen. Einer der Männer ist vorbestraft.

| Update:

Der jüngere der beiden wegen der mutmaßlichen Planung eines Giftanschlags festgenommenen Brüder ist 2019 unter anderem wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden.

Auch zum Zeitpunkt seiner Festnahme in der Nacht zum Sonntag im Ruhrgebiet war er noch nicht auf freiem Fuß: Er war nach wie vor in einer Entziehungsanstalt in Hagen untergebracht, durfte aber angesichts einer Lockerung am Wochenende teils bei Familienangehörigen übernachten. Das teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund am Montag mit. Zuvor hatte das „Westfalen-Blatt“ darüber berichtet.

Der heute 25-Jährige hatte laut der Staatsanwaltschaft im Juli 2018 nachts einen großen Ast von einer Brücke auf die Autobahn 45 geworfen. Er traf damit ein Auto, die damals 32 Jahre alte Fahrerin wurde durch Glassplitter verletzt. Bei der Tat war er betrunken. Im Januar 2019 wurde er vom Landgericht Dortmund zu einer Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr verurteilt.

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Vor der Tat war der Mann aus einem Linienbus geworfen worden, weil er während der Fahrt Alkohol getrunken hatte. Im Prozess behauptete er, dass er sich an nichts erinnern könne, weil er zu betrunken gewesen sei. Das hielten die Richter allerdings für eine Schutzbehauptung.

Überführt wurde er durch DNA-Spuren an dem zehn Kilo schweren Ast. Sein Verteidiger hatte am Rande des Prozesses von mehreren Vorstrafen seines Mandanten berichtet. Bei den Delikten habe es sich im Wesentlichen um Sachbeschädigung oder Widerstand gehandelt.

Er hatte mittlerweile einen „Übernachtungsstatus“

Wegen seiner Suchterkrankung ordnete das Gericht 2019 an, dass er nach eineinhalb Jahren in Haft in einer Entziehungsanstalt untergebracht wird. Der Mann habe laut der Klinik zwar Fortschritte gemacht, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft am Montag. Die Staatsanwaltschaft habe aber zuletzt Ende November beantragt, dass die Unterbringung anzudauern habe.

Eine solche Unterbringung muss halbjährlich überprüft werden. Laut der Staatsanwaltschaft hatte der Mann mittlerweile aber einen „Übernachtungsstatus“ - eine Lockerung, die ihm erlaubt, am Wochenende auch mal bei Angehörigen zu bleiben.

Der Mann war in der Nacht zum Sonntag gemeinsam mit seinem 32-jährigen Bruder in dessen Wohnung in Castrop-Rauxel festgenommen worden. Die beiden Iraner sollen versucht haben, die Giftstoffe Cyanid und Rizin für einen islamistisch motivierten Anschlag zu besorgen. Gift wurde bei der Durchsuchung am Sonntag zunächst nicht gefunden.

Einsatzkräfte durchsuchten am Montag auch zwei Garagen, die einem der beiden beschuldigten Brüder zugeordnet werden. Auch dort seien keine Giftstoffe gefunden worden. „Im Ergebnis haben wir nichts Beweisrelevantes gefunden“, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf. Zwischenzeitlich seien umliegende Häuser evakuiert worden, um eine mögliche Gefährdung auszuschließen, sagte der Sprecher. Es sei ein Paket gefunden worden, das man zunächst habe untersuchen müssen. Darin war demnach aber nichts Gefährliches.

Spezialkräfte der Polizei in Schutzanzügen kommen von ihrem Einsatz.

© Bernd Thissen/dpa

Ermittlungen hätten ergeben, dass der 32-Jährige über die beiden Garagen in einem Hinterhof in Castrop-Rauxel verfüge, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft. Unter anderem sei die sogenannte Analytische Task Force der Feuerwehr im Einsatz, um einen sicheren Umgang mit gegebenenfalls gefährlichen Stoffen gewährleisten zu können.

Hinweise kamen aus den USA

Am Sonntag wurde bereits bekannt, dass die deutschen Ermittler vor dem Einsatz in Castrop-Rauxel wegen eines möglicherweise geplanten islamistischen Anschlags einen Tipp von Kollegen aus den USA bekommen. Es habe einen Hinweis von einer US-amerikanischen Sicherheitsbehörde gegeben, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. 

Ob der Festgenommene tatsächlich an Gift gekommen war, beantworteten die Ermittler zunächst nicht. Man habe den Hinweis auf den 32-Jährigen am Samstag bekommen und sei zu dem Schluss gekommen, dass unmittelbar ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt und vollstreckt werden müsse, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. 

Wie weit die Anschlagspläne fortgeschritten waren und ob es schon ein konkretes Anschlagsziel gab, blieb zunächst unklar. Es seien Speichermedien sichergestellt worden, die nun ausgewertet werden müssten, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit.

Der mutmaßliche Islamist soll nicht im Auftrag staatlicher iranischer Behörden gehandelt haben, wie die dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr. Vielmehr wird vermutet, dass er Anhänger einer sunnitischen islamistischen Terrorgruppe ist. Der 32-Jährige und sein Bruder sollen sich beide seit 2015 in Deutschland aufhalten. 

Rizin und Cyanid sind hochgiftig

Wegen der biologisch-chemischen Gefahren für die Einsatzkräfte waren laut einem Bericht der „Bild“ auch Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts (RKI) als Berater vor Ort. Auch mehrere Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) und ein Entschärfer-Kommando seien im Einsatz gewesen. Das BKA wollte sich nicht zu dem Einsatz äußern und verwies auf die Generalstaatsanwaltschaft.

Das hochgiftige Rizin wird laut dem RKI in der Kriegswaffenliste unter „Biologische Waffen“ aufgeführt. Cyanid ist ebenfalls hochgiftig, bereits kleinste Mengen wirken bei Menschen tödlich.

Die Fahnder schlugen gegen Mitternacht zu. Der Einsatzort wurde weiträumig abgesperrt. Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte waren mit einem Großaufgebot vor Ort. Zahlreiche Einsatzkräfte trugen Schutzanzüge. Beweismittel wurden in blauen Fässern zu einer Dekontaminationsstelle gebracht, die bei der Feuerwehr eingerichtet war, wie ein dpa-Reporter berichtete.

Die Beweismittel wurden in blauen Fässern zu einer Dekontaminationsstelle gebracht.

© dpa

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht vor dem Hintergrund des Anti-Terror-Einsatzes die Gefahr islamistischer Anschläge in Deutschland nicht gebannt. Deutschland stehe weiterhin im unmittelbaren Zielspektrum islamistischer Terrororganisationen, sagte die SPD-Politikerin laut einer Mitteilung ihres Ministeriums.

Islamistisch motivierte Einzeltäter seien eine weitere erhebliche Gefahr. „Unsere Sicherheitsbehörden rechnen deshalb jederzeit mit Vorbereitungen für einen Anschlag.“ Seit dem Jahr 2000 hätten die Behörden in Deutschland 21 islamistische Anschläge verhindert.

Der Terrorismusexperte Peter Neumann wies darauf hin, dass bei fast jedem aufgedeckten Terrorplan der vergangenen Jahre der entscheidende Hinweis von US-Geheimdiensten gekommen sei. Deutschland sei auch bei der Terrorismusbekämpfung im Inneren nach wie vor sehr abhängig von Amerikas Geheimdiensten, sagte der Professor am King’s College in London am Sonntag bei der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im bayerischen Kloster Seeon. „Eigentlich sollte das die Konsequenz haben, dass man hier in Deutschland selbst versucht, solche Fähigkeiten aufzubauen, um diese Abhängigkeit zu verringern.“

„Mit Hochdruck“ ermittelt

Nach dem Einsatz im Ruhrgebiet werde „mit Hochdruck“ ermittelt, erklärte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). „Wir hatten einen ernstzunehmenden Hinweis, der die Polizei dazu veranlasst hat, noch in der Nacht zuzugreifen.“

Nach Informationen der „Bild“ ermittelt das Bundeskriminalamt seit mehreren Tagen gegen den Iraner. Ein „befreundeter Geheimdienst“ solle die deutschen Sicherheitsbehörden über die Anschlagsgefahr mit einer chemischen Bombe gewarnt haben.

Wie gefährlich Rizin ist, haben Ermittlungen vor vier Jahren in Köln gezeigt: In einem 15-stöckigen Gebäude in der Hochhaussiedlung Chorweiler hatten ein Tunesier und seine deutsche Frau die Chemikalie hergestellt und Testexplosionen ausgelöst.

Ein ausländischer Geheimdienst schöpfte wegen der Online-Käufe großer Mengen Rizinus-Samen Verdacht und gab einen Tipp. Beide wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Ein Gutachten ergab: Rein rechnerisch hätten durch die Giftmenge 13.500 Menschen sterben können. Bei der geplanten Verbreitung durch eine mit Stahlkugeln gespickten Streubombe wären es etwa 200 Tote gewesen. (dpa)

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