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Michael Baleanu glaubt an eine „Diktatur“ des Feminismus.

© Screenshot: Youtube

400 000 Euro für umstrittenen Verein: Wie das „Forum Soziale Inklusion“ an Staatsgeld kam

Was verstehen diese Männer unter Gleichberechtigung? Kritiker sind entsetzt. Trotzdem erhält der Verein 400 000 Euro - auf Anregung des CSU-Manns Florian Oßner.

Die 400 000 Euro, die ihnen der Bundestag im Dezember bewilligte, haben sie bis heute nicht bekommen. Drei Anträge an das zuständige Bundesfamilienministerium wurden bereits abgelehnt, sagt der Vereinsvorsitzende Gerd Riedmeier am Telefon. Warum dies so ist, sei schwer einzuschätzen. Möglicherweise habe das Ministerium gegenüber seinem Verein „Berührungsängste“. Dabei stelle die Zusammenarbeit doch „eine Riesenchance“ dar.

Andere sprechen nicht von Chance, sondern von Skandal. Denn obwohl der Verein „Forum Soziale Inklusion“, kurz FSI, verkündet, sich für die „Gleichbehandlung für Frauen und Männer“ einzusetzen, fürchten etliche Politiker, Gleichstellungsexperten und Mitarbeiter des Familienministeriums eine andere Agenda: Das FSI vertrete vor allem Männerinteressen, wolle Schritte zur Gleichberechtigung der Frau rückgängig machen. Gerd Riedmeier bestreitet das.

Als im Dezember bekannt wurde, dass das FSI 400 000 Euro erhält, gab es einen Aufschrei. Der „Spiegel“ beschrieb den FSI als „antifeministischen Verein“, der Politikwissenschaftler Thomas Gesterkamp sprach von einem „maskulinistischen Coup“, die „Welt“ nennt den FSI „dubios“. Gerd Riedmeier weist diese Zuschreibungen zurück.

Andererseits behauptet der Vereinsvorsitzende, Männer würden durch das Bundesfamilienministerium „strukturell diskriminiert“. Frauenförderung sei zwar da begrüßenswert, wo tatsächlich nötig, aber: „In der Realität haben Frauen Männer längst überholt.“ Und alle im Bundestag vertretenen Parteien fühlten sich einem politischen „Mainstream“ verpflichtet, in dem „der Fokus nahezu ausschließlich auf Frauen und Minderheiten“ liege.

Die Förderung des FSI und seine Umsetzung sind ein unrühmliches Lehrstück über Koalitionsdisziplin, Parlamentsrituale und Intransparenz bei der Entscheidungsfindung.

Versteckt im Haushaltstitel 1703 68 426

Sicher ist, dass die allermeisten Abgeordneten der Regierungsfraktionen gar nicht wussten, wem genau sie Geld bewilligen würden. Denn die Fördermittel sind versteckt in Einzelplan 1703, Titel 68 426 mit der Überschrift „Zuschüsse und Leistungen für laufende Zwecke an Träger und für Aufgaben der Gleichstellungspolitik“. Und während etwa der „Deutsche Frauenrat“ und das „Digitale Deutsche Frauenarchiv“ explizit aufgeführt werden, wird das FSI nicht namentlich erwähnt – das ihm zugewiesene Geld ist unter dem Stichpunkt „Projektförderung“ zusammengefasst.

Wie konnte das passieren? Und wer ist dafür verantwortlich?

Dass der umstrittene Verein erstmals Gelder erhalten soll, hatten Union und SPD bereits einige Wochen zuvor beschlossen, Ende November in der finalen Sitzung des Haushaltsausschusses. In der sogenannten „Bereinigungssitzung“ werden traditionell am Ende der Haushaltsberatungen alle offenen Streitpunkte abgeräumt – und auch kurzfristige Änderungsanträge, eingebracht durch die Regierungskoalition, behandelt. Ein solcher Änderungsantrag sprach sich für die Förderung des Vereins aus, der bis dahin im Ausschuss nie erwähnt worden war.

Die Bereinigungssitzung dauerte 18 Stunden, endete erst um sechs Uhr morgens. Der Abgeordnete einer Oppositionsfraktion, der anwesend war, sagt: „Es ist uns peinlicherweise durchgerutscht. Bei den Milliardensummen, über die in diesen 18 Stunden abgestimmt wurde, lief das FSI leider einfach unter dem Radar durch.“ Ein anderer Parlamentarier sagt, dieser Verein sei ihnen „untergejubelt“ worden wie ein „Trojanisches Pferd“.

Die seltsame Rolle des CSU-Manns Florian Oßner

Dass Union und SPD ihren Änderungsantrag einbrachten, geht auf die Initiative eines CSU-Abgeordneten zurück. Florian Oßner, 40, hat es als Direktkandidat des Wahlkreises Landshut, der seit 1953 konstant von der CSU gewonnen wird, ins Parlament geschafft. Oßners Wahlkreis liegt 30 Kilometer nördlich vom Wohnort des Vereinsvorsitzenden Gerd Riedmeier.

Neben dem Haushaltsausschuss sitzt Florian Oßner auch in dem für Verkehr und digitale Infrastruktur, ist stellvertretendes Mitglied in den Ausschüssen für Bau und Wohnen, Ernährung und Landwirtschaft, Umwelt und nukleare Sicherheit. Die Anfrage des Tagesspiegels, woher er das FSI kennt und ob er vor seinem Fördervorschlag vielleicht Rücksprache mit einem in diesem Themenbereich versierten Fraktionskollegen hielt, beantwortet Oßner nicht.

Auf Nachfrage, ob ihm seine Rolle bei der Fördermittelvergabe für das FSI im Rückblick unangenehm sei, antwortet er: „Wie kommen Sie darauf?“

Für seinen Vorschlag erhielt Oßner am Ende Unterstützung von Union und SPD. Die Grünen-Abgeordnete Ekin Deligöz macht den Regierungsfraktionen Vorwürfe: „Wenn die Kollegen von Union und SPD so kurzfristig Änderungsanträge einbringen, ist es ihre unbedingte Pflicht, genau in Erfahrung zu bringen, wem sie da Fördermittel geben möchten.“ Sie gehe davon aus, dass diese „in der Hitze des Gefechts keine informierte Entscheidung getroffen haben. Sie haben sich blenden lassen.“

Weshalb auch die SPD zustimmte

Ganz so war es allerdings nicht. Denn die SPD-Abgeordnete Svenja Stadler, die im Ausschuss ebenfalls für die Förderung stimmte, sagt dem Tagesspiegel, dass sie den Verein zwar nicht kannte, bevor CSU-Mann Oßner während der Schlussphase der Haushaltsverhandlungen überraschend seinen Wunsch einbrachte.Dann jedoch habe sie sich informiert – und die Förderung abgelehnt. Sie habe auch mit dem Vorsitzenden Gerd Riedmeier telefoniert. Dabei habe sich schnell herausgestellt, „dass ich sein Projekt nicht unterstützen werde. Das habe ich in diesem Telefonat auch unmissverständlich deutlich gemacht.“ Dass die SPD am Ende doch zustimmte, sei ein Kompromiss gewesen.

So läuft es häufig in den finalen Sitzungen: Der eine gibt hier nach, der andere dort, irgendwann wollen alle ins Bett.

Drei Anträge auf Auszahlung wurden schon abgelehnt

Nun muss das FSI sein Geld nur noch per Antrag aus dem Topf des SPD-geführten Familienministeriums erhalten. Doch dies gestaltet sich schwieriger als erhofft. Eine Ministeriumssprecherin sagt, man sehe „die inhaltliche und politische Ausrichtung des Vereins kritisch“. Insbesondere sei „eine antifeministische Haltung nicht mit einer partnerschaftlichen Gleichstellungspolitik zu vereinbaren“.

Seine ersten zwei Anträge stellte das FSI noch im Dezember, einen dritten im Februar. Das Ministerium lehnte jeweils ab, die Anträge hätten nicht den rechtlichen Voraussetzungen entsprochen.

Christine Lambrecht (links) leitet bis zur Wahl das Bundesfamilienministerium.
Christine Lambrecht (links) leitet bis zur Wahl das Bundesfamilienministerium.

© Foto: Kay Nietfeld/dpa

Ob ein Antrag des FSI bewilligt werde, sagt die Sprecherin des Ministeriums, hänge auch davon ab, ob die „Förderrichtlinien des Bundes zu gleichstellungspolitischen Vorhaben“ erfüllt würden. Und in diesen steht unmissverständlich: „Die Maßnahmen, die auf der Grundlage der Richtlinien gefördert werden können, müssen das Ziel haben, die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzubringen und Chancengleichheit zu ermöglichen.“

Gefördert werden können zudem nur Akteure, die „gleichstellungspolitisch relevante Arbeit leisten“ und „mit ihrem Vorhaben die Ziele und Anliegen der ressortübergreifenden Gleichstellungsstrategie des Bundes unterstützen“ und auch einen „wertschätzenden und diskriminierungsfreien Umgang mit allen pflegen“.

Kritiker sagen, der Verein widerspreche der Gleichstellungsstrategie des Bundes.

Fließt das Geld jetzt jedes Jahr?

Das FSI behauptet zudem, das Parlament habe beschlossen, dass die Förderung in Höhe von 400 000 Euro in den Folgejahren „verstetigt“ werde, also jährlich erfolge. Tatsächlich findet sich diese Formulierung im Haushaltsbeschluss, sie ist allerdings bloß eine Absichtserklärung, weil jedes Jahr neu über den jeweiligen Haushalt abgestimmt wird.

Kritik an der Bundestagsentscheidung kommt vom „Bundesforum Männer“, einem Dachverband von inzwischen 38 Einzelorganisationen. Geschäftsführer Dag Schölper sagt: Mittel, die für die Gleichstellung der Geschlechter vorgesehen seien, seien „beim FSI eher falsch platziert“. In der Vergangenheit habe der Verein Geringschätzung für all jene Frauen zu erkennen gegeben, „die sich politisch für die Rechte von Frauen und Mädchen einsetzen“. Das FSI bestreitet dies.

Wie viele aktive Mitglieder der Verein hat, sagt Chef Riedmeier nicht. Nur wenige Namen sind bekannt. Einer, der jahrelang in der Öffentlichkeit, etwa als Redner bei Demonstrationen, als Aktivist des FSI auftrat, ist Michael Baleanu. Er war für das FSI auch offizieller Redner beim ersten „Gender-Kongress“, den Riedmeier mitorganisiert hatte.

Aus seiner antifeministischen Einstellung macht Michael Baleanu keinen Hehl. Er behauptet etwa, Feministinnen hätten in Deutschland ein Spinnennetz des Männerhasses gewoben, und fordert: „Wir müssen die Gesellschaft von diesem Spinnennetz befreien!“

Michael Baleanu glaubt an eine „Diktatur“ des Feminismus

Dem Feminismus seien „die Kinder und deren Wohl scheißegal“. Das Familienministerium ist für Baleanu „das Ministerium gegen Männer“. Es versuche die Menschen mit unlauteren Methoden „glauben zu machen, dass Männer gewalttätig wären“.

Tatsächlich werde der Mann weltweit „durch Wissenschaftsbetrug als Gewalttäter diskreditiert“. Überhaupt gebe es in Deutschland kein Patriarchat, sondern eine „Diktatur“ des Feminismus.

Michael Baleanu bei einer Demo des Väteraufbruchs für Kinder.
Michael Baleanu bei einer Demo des Väteraufbruchs für Kinder.

© Screenshot:Youtube

Michael Baleanu glaubt auch, dass die Lebenserwartung von Männern deshalb fünf Jahre niedriger sei, weil die „ökonomische Gewalt der Frauen“ sie früher um die Ecke bringe. Schließlich verfügten Frauen über „72 Prozent des Haushaltseinkommens“.

Weitere Weisheiten von Michael Baleanu : 1. „Wenn jemand Frauen benachteiligt, dann sind es nicht die Männer, sondern das machen schon die Frauen selber!“ 2. „Es waren Männer, die dafür sorgten, dass Frauen das allgemeine Wahlrecht bekamen.“ 3. „Die Frauen haben 7x mehr Verkaufsfläche im Einzelhandel zur Verfügung.“ 4. „Auch die Behauptung, dass Frauen, nur weil sie Frauen wären, getötet werden, ist blöde.“

FSI-Chef Riedmeier sagt, es habe bisher auf seinen vierten, im April eingereichten Antrag vom Familienministerium keinerlei Rückmeldung gegeben. Aus dem Vorzimmer der Staatssekretärin habe es wiederholt geheißen, eine Antwort komme „in den nächsten Tagen“. Welches Projekt genau er gefördert haben will, sagt Riedmeier trotz mehrfacher Nachfrage nicht.

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