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Gesundheit: Ein neues Zuhause

Der Mars ließe sich mit Hilfe von Treibhausgasen womöglich in eine zweite Erde verwandeln

Der Mars könnte einmal lebensfreundlich gewesen sein. Heute ist er wahrlich ein unwirtlicher Ort. Das offenbaren erneut die Bilder, die der Nasa-Roboter „Spirit“ und die europäische Raumsonde „Mars-Express“ derzeit zur Erde funken. Der Rote Planet präsentiert sich als kalte, trockene Wüste. Die Luft taugt nicht zum Atmen. Aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit, ihn in einen warmen, feuchten Planeten zu verwandeln: mit Hilfe von Treibhausgasen.

Einige Marsliebhaber haben solche Vorstellungen. Man findet sie vor allem in der „Mars-Society“, die ausgehend von den USA bereits in mehr als 30 Ländern Anhänger gefunden hat, auch in Deutschland. Ihr Präsident, der US-Weltraumingenieur Robert Zubrin, propagiert die Besiedlung des Mars. Um ausweichen zu können, wenn es auf der Erde zu eng oder wegen globaler Katastrophen zu ungemütlich wird. Auch der Aachener Wissenschaftler Peter Sahm plädiert für eine derartige Besiedlung. Zunächst sollen es aber Roboter sein, die sich auf dem Roten Planeten nützlich machen. Sie sollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Menschen auf dem Mars leben und wieder zur Erde zurückkehren können.

„Aufgabe der Automaten ist es, kleine Fabriken zu bauen“, sagt Sahm. Wenn die notwendigen Werkzeuge und Substanzen für die Erzeugung von Energie und Chemikalien mit unbemannten Raumschiffen herangeschafft werden, könnten die Maschinen eine schützende Atmosphäre aufbauen und Treibstoff für Rückfahrten zur Erde produzieren. Als Sprit könnten Kohlenwasserstoffe wie Methan oder Alkohole dienen, hergestellt aus Kohlendioxid vom Mars und von der Erde mitgeführtem Wasserstoff. Letztlich geht es darum, die rauen Bedingungen auf dem Mars so zu verändern, dass Pflanzen, Tiere und Menschen dort leben können.

Die Aussichten, den Mars je besiedeln zu können, wären minimal, hätte der Mensch nicht in den letzten Jahren gezeigt, dass er in der Lage ist, das Klima eines ganzen Planeten radikal zu verwandeln. Auf der Erde bewirkt dies ein Treibhauseffekt, der hauptsächlich auf den vermehrten Ausstoß von Gasen wie Kohlendioxid oder Methan zurückgeht. Mit dieser Methode könnte eine Klimaänderung auch auf dem Roten Planeten herbeigeführt werden. Der Mars könnte langfristig zu einer zweiten Erde umgeformt werden, ein Projekt das als „Terraforming“ bezeichnet wird.

Vor allem käme es darauf an, den Mars mit einer dichten Atmosphäre zu versehen, die vor gefährlicher Strahlung schützt und den Spaziergang ohne Raumanzug und möglichst ohne Atemgeräte erlaubt. Beim Aufbau der Atmosphäre setzen die „Terraformer“ zunächst auf Kohlendioxid, von dem große Vorräte als Karbonat in Oberflächengesteinen gebunden und als Trockeneis an den Polen gefroren sind. Einmal freigesetzt, könnte sich das Gas in der Atmosphäre anreichern und so das Treibhaus anheizen. Denn je mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre vorhanden ist, desto stärker wird die Rückstrahlung des Sonnenlichts im infraroten Spektralbereich behindert. Die Temperatur auf der Marsoberfläche würde steigen, und je wärmer es würde, desto mehr Kohlendioxid würde frei. Einmal in Gang gesetzt, würde der Prozess womöglich von alleine mit wachsendem Tempo weiterlaufen.

Über die beste Art der Initialzündung zerbrechen sich Forscher derzeit noch den Kopf. Ein Vorschlag lautet, die Polkappen mit dunklem Sand oder Ruß zu bestreuen. Dadurch könnte mehr Sonnenlicht absorbiert werden, das Trockeneis würde gasförmig. Ein anderer Plan sieht vor, riesige Spiegel aus aluminiumbedampften Folien im Weltall zu installieren und so mehr Sonnenlicht auf die Marsoberfläche zu lenken. Eine weitere Alternative: direkt auf dem Mars Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) zu produzieren. Die auf der Erde als Ozonvernichter geächteten Substanzen sind 1000mal wirkungsvollere Treibhausgase als Kohlendioxid. Sie würden auch den Mars besonders effektiv aufheizen.

Eventuell mit einem Mix der diversen Techniken ließe sich so eine Kohlendioxid-Atmosphäre mit etwa 300 Millibar Druck aufbauen. Damit wäre ein Drittel des irdischen Luftdrucks erreicht, und Menschen könnten sich schon ohne Raumanzug außerhalb ihrer geschützten Wohnmodule bewegen.

Allmählich würde es warm genug, um den Permafrost aufzutauen. Im dauergefrorenen Untergrund sind große Mengen Wasser gespeichert. Wasserdampf würde sich in der Atmosphäre anreichern und als wirkungsvolles Treibhausgas den Erwärmungsprozess verstärken. Danach könnten anaerobe, ohne Sauerstoff lebende Bakterien und Grünalgen ausgesät werden, um sie über den Planeten zu verbreiten. Diese einfachen Lebewesen erzeugen Ammoniak und Methan, ebenfalls effektive Treibhausgase, die den Mars weiter erwärmen könnten.

Zwar wäre die Atmosphäre mittlerweile ausreichend stabil, an Sauerstoff fehlte es aber immer noch. Auf der Erde hat es Jahrmillionen gedauert, bis sich die Atemsubstanz auf knapp 21 Prozent angereichert hatte. So lange wollen die Marssiedler nicht warten. Deshalb werden niedere Pflanzen wie Flechten oder Moose, die zur Photosynthese fähig sind, importiert. Gentechnik hilft den niedrigen Wirkungsgrad zu erhöhen. In 1000 bis 10000 Jahren könnte so der Sauerstoffanteil auf 20 Prozent gesteigert werden.

Um eine erdähnliche Zusammensetzung zu erreichen, muss auch der Stickstoffgehalt drastisch steigen. Von der Erde stammende Organismen sind schließlich an eine zu drei Vierteln aus Stickstoff bestehende Luft angepasst. Zudem können Pflanzen ohne diesen Nährstoff nicht gut gedeihen. Ob der Marsboden genügend Stickstoff in Form von Nitraten enthält, müssen Erkundungsflüge klären. Andernfalls, schlägt Zubrin vor, könne man ammoniakhaltige Asteroiden aus dem äußeren Sonnensystem mit kernkraftbetriebenen Raketen auf den Mars lenken. Am Ende der Umgestaltung müsste auch der Kohlendioxid-Anteil auf ein verträgliches Maß von unter einem Prozent reduziert werden. Mehr wäre auf Dauer giftig.

Vor zu viel Fantasterei warnt Berndt Feuerbacher, Leiter des Instituts für Raumsimulation am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt in Köln. „Massive Eingriffe in die Umwelt durch sich selbst verstärkende Prozesse können unvorhersehbare Folgen bringen“, sagt Feuerbacher.

Trotz dieser Skepsis ist Feuerbacher überzeugt, dass Menschen „früher oder später“ auf dem Mars landen werden, wenn auch nicht, um dort dauerhaft zu wohnen. Für realisierbar hält er Forschungsstationen, wie sie etwa in der Antarktis üblich sind. Auch die Gewinnung von Rohstoffen für irdischen Bedarf sei denkbar. Eine bemannte Marsmission sieht er nicht vor 2030. Und eine menschliche Dauerpräsenz auf dem Mars erwartet er frühestens zur Jahrhundertmitte.

Paul Janositz

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