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Joe Biden ist nach dem Fund der Geheimdokumente aus seiner Vizepräsidentschaft in Erklärungsnot.

© Bearbeitung: TSP | Imago/Sergio Perez

Geheimpapiere bei Joe Biden: Stolpert der US-Präsident über den Dokumentenskandal?

Ein Sonderermittler untersucht, wie Verschlusspapiere in Bidens Zuhause und Büro gelangen konnten. Was heißt das für seine Chancen auf eine Wiederwahl 2024? Drei Experten antworten.

Es ist ein Vorgang mit Spaltkraft. Im Privathaus und im früheren Büro von Joe Biden wurden seit November eine Reihe von Papieren mit Geheimklassifizierung gefunden, die aus seiner Zeit als Vizepräsident (2009 bis 2017) stammen. Bekannt wurde das allerdings erst im Januar. Für Bidens Demokratische Partei ist das ein doppeltes Problem, denn den republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump hatte sie bei Funden von Geheimpapieren in dessen Privatanwesen Mar-a-Lago scharf angegriffen.

Anders als Trump hat Biden volle Kooperation bei der Aufklärung versprochen. Inzwischen hat das Justizministerium einen Sonderermittler eingesetzt. Wie gefährlich kann der Dokumentenskandal dem US-Präsidenten werden? Drei Fachleute antworten in unserer Serie „3 auf 1“.


Joe Biden sieht angesichts der Verschlusspapiere, die in seinem Zuhause und seinem früheren Büro gefunden wurden, einer riskanten Zukunft entgegen. Wenn ein Sonderermittler einen Präsidenten untersucht, birgt das immer Gefahren. Erstens ist unklar, worum es in den Dokumenten ging. Könnten sie zum Beispiel von den Auslandsgeschäften von Bidens Sohnes Hunter handeln, der bereits Objekt einer Untersuchung ist?

Zweitens bleibt die Frage, wie die Papiere, die aus Bidens Zeit als Vizepräsident und Senator stammen, in seinen persönlichen Besitz gekommen sind. Falls er sie absichtlich behalten haben sollte – was er zurückweist –, wäre das rechtlich problematisch.

Drittens ist da der politische Schaden. Die Demokraten dachten, sie hätten eine große Waffe gegen Donald Trump, bei dem auch Verschlusspapiere gefunden worden waren. Der Biden-Fall erschwert nun die Strafverfolgung. Helfen könnte Biden, dass kürzlich ebenso bei Mike Pence Geheimdokumente aus dessen Zeit als Trumps Vize entdeckt wurden. Aber selbst wenn er rechtlich unbelastet bleiben sollte, könnten seine Chancen auf eine Wiederwahl beschädigt werden.


Ist der Skandal vorbei? Um die klassische amerikanische Komödie „Animal House“ zu zitieren: „War es vorbei, als die Deutschen Pearl Harbor bombardierten?!“ Die Antwort ist ein schallendes Nein. Die Republikaner schäumen vor Wut über die Achtlosigkeit, mit der Präsident Biden mit geheimen Dokumenten umgegangen ist.

Die jüngsten Enthüllungen werden dazu führen, dass der Präsident sich noch stärkerer Prüfung unterziehen lassen muss. Dabei hatte er ohnehin schon zwei fordernde Jahre unter Aufsicht der Republikaner im Kongress vor sich.

Die wahre Herausforderung könnte für Biden allerdings aus der eigenen Partei kommen, aus der er sich häufiger mit öffentlicher Kritik konfrontiert sieht. Nachdem jüngste nationale Umfragen nahelegen, dass Bidens prozentuale Zustimmungswerte wieder in die 30er gefallen sind, wird es aus der amerikanischen Linken wahrscheinlich neue Rufe nach einem anderen demokratischen Kandidaten für 2024 geben.


Mehr vom Gleichen hat häufig den Effekt, Gefühle von Langeweile zu erzeugen. Die amerikanische Öffentlichkeit ist es gewohnt, quasi minütlich mit „breaking news” in Großbuchstaben gefüttert zu werden. Sind die nicht mehr überraschend, bleibt der Unterhaltungseffekt aus, die Aufmerksamkeit wendet sich anderen Themen zu. Jeder weitere „Dokumentenfund” wird voraussichtlich als weniger skandalös eingeschätzt werden als die bisher bekannten – und die Aufregung insgesamt reduzieren.

Natürlich steht Joe Biden als US-Präsident unter besonders großer Aufmerksamkeit. Noch wissen wir nicht, was genau gefunden wurde – vielleicht werden wir es nie erfahren. Auch fehlt eine überzeugende Erklärung, warum der Fund erst Wochen später kommuniziert wurde. Aber bei vielen wächst die Einsicht, dass man sich die Regeln zur Klassifizierung und Aufbewahrung wichtiger Unterlagen noch einmal genauer anschauen sollte. Dann wäre es kein Biden-Skandal mehr, sondern eine Aufgabe an die politischen Verantwortlichen – und damit keine Eilmeldung mehr wert.

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