zum Hauptinhalt
321239_0_bc57998a.jpg

© Staatliche Museen Berlin

Gemäldegalerie: Leises Schimmern

Ein malerischer Quantensprung im 15. Jahrhundert: Die Berliner Gemäldegalerie präsentiert ihre altniederländische Malerei neu.

Sprechblasen gab es im Spätmittelalter noch nicht. Wie also brachte die Malerei Bilder zum Klingen? „Ich bin auferstanden und bin mit Dir“, sagt Jesus zu seiner Mutter. Im Jahr 1500 lässt Juan de Flandes die Worte als transparenten Schimmer zu Maria herüberwehen. Erkennen kann man das erst jetzt. Denn die Gemäldegalerie hat ihre altniederländischen Kleinformate aus den klobigen Vitrinen befreit. Nun hängen sie hinter hochentspiegelten Verbundglasscheiben, und man darf dicht herantreten. Plötzlich scheint ein Schleier beiseitegezogen.

In nur einem Raum lässt sich der malerische Quantensprung im 15. Jahrhundert beobachten. Jan van Eyck ersetzt den undurchdringlichen Goldgrund durch den Wechsel von Licht und Schatten. Seine Madonna in der Kirche (1440) ist Andachtsbild und künstlerisches Muskelspiel zugleich. Eyck wölbt die Kathedrale zum Himmelszelt, lässt Lichtstrahlen durch die Fenster fallen und füllt den Raum mit Klang – am Altar singen Engel aus dem Messbuch. Die Gesichter rücken näher, da die Maler die Tiefe ausloten. Petrus Christus’ „Bildnis eines jungen Mädchens“ (1470) erinnert in seiner Durchsichtigkeit an die Schauspielerin Tilda Swinton.

In die Neugestaltung des benachbarten Rogier-van-der-Weyden-Saales hat der Kurator Stephan Kemperdick die Erkenntnisse aus der Sonderausstellung „Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden“ einfließen lassen. Robert Campin ist als Urheber verschwunden. Der Blick wird auf den Miraflores-Altar (vor 1445) gelenkt, das einzige Werk, das Rogier van der Weyden sicher zugeordnet werden kann. Die eigentliche Entdeckung aber stellen die Altarflügel aus der Benediktinerabtei Saint-Bertin dar. In der Gemäldegalerie wurden ihre Rückseiten noch nie gezeigt. Jetzt stehen die Eichentafeln frei im Raum.

Der Buchmaler Simon Marmion hat sie mit Grisaillen versehen, einer Spezialität der niederländischen Malerei. Die steinernen Apostel, Grau in Grau, steigern den dramatischen Effekt. Hinter ihnen entfalten sich farbige Szenen aus dem Leben des Heiligen Bertinus. Sogar eine Frau tritt im Kloster auf. Doch Vorsicht! Unter dem Rocksaum der ätherischen Schönen lugen Drachenkrallen hervor. Die Verführerin ist natürlich der Teufel.

Da hängt eine der bedeutendsten Sammlungen niederländischer Malerei aus dem 15. Jahrhundert vor der Haustür. Warum also nicht die neu gestalteten Säle als Sonderausstellung betrachten und sich in eine Kunst vertiefen, die gerade das Licht, den Raum und den Klang entdeckte. Simone Reber

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false