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Kultur: Die Schlankmacher

Die Auktionshäuser machen gute Geschäfte – und sie ergreifen jede Chance zum Sparen

Christie’s Europapräsident Jussy Pylkännen ist guter Dinge. Jovial wie immer weist er den Fernsehkameras und Journalisten den Weg zu den Glanzpunkten der „Auktion des Jahrhunderts“. Rund 70 Superwerke von den 700 Losen aus dem Appartement von Yves Saint Laurent und seinem Partner Pierre Bergé in der Rue de Babylone Nr. 55 werden gezeigt, die Christie’s Ende Februar im Grand Palais in Paris versteigert. Es soll ein Trommelwirbel für den Kunstmarkt werden. „Man konnte sich in dem Appartement kaum bewegen, so viel Kunst war da. Aber nichts Zweitklassiges. Alles Meisterwerke.“ Gesamtschätzung der Auktion: 200 bis 300 Mio. Euro.

Ein Gemälde von Mondrian für 7 bis 10 Mio., eine Brancusi-Skulptur für 15 bis 20 Mio., ein kubistisches Werk von Picasso für 25 bis 30 Mio., die „beste Sammlung deutschen Silbers seit dem zweiten Weltkrieg“ und die „größte Sammlung von Email-Kunst der Renaissance auf der Welt“. Laurent und Bergé haben 50 Jahre lang gesammelt, da kommt schon was zusammen. Zwei Hockerchen mit Leopardenfell und Rotlackgriffen etwa von Gustave Miklos (2 bis 3 Mio.). „Die Rezession hat keine Auswirkung auf den Schätzpreis“, betont Christie’s Art-déco-Experte Philipe Garner. Er war dabei, als Saint Laurent 1972 die Banquettes in der Nachlassauktion des Couturiers und Ästheten Jacques Doucet ersteigerte, auch ein legendärer Geschmacksführer. Das Korallenrot der Griffe ist auf das Rot in dem Matisse-Gemälde abgestimmt, das darüber hing, weiß Garner. Allein schon die Provenienz mache die Möbelchen begehrenswert, von Saint Laurent gar nicht zu reden. Den Gedanken, dass die Wirtschaftskrise die Lust auf diese Kunst dämpfen könnte, weist Garner fast entsetzt zurück: „Es gibt genug Connaisseure, die das zu schätzen wissen und Geld dafür haben.“

Erlesene Kunst wird, von Sammlung zu Sammlung weitergegeben, auch in Wirtschaftskrisen gekauft. Neben den Stücken von Laurent hängt das Angebot der Moderne-Auktionen der nächsten Woche. Die Bilder hängen etwas weiträumiger als sonst. Es werden weniger Lose verkauft als in Boomzeiten, aber die Kunst glänzt umso schöner. Die Auswahl ist streng, nur das Erlesenste wird dem Markttest unterzogen. „Dans la Prairie“ von Claude Monet etwa, eine herrliche Frühsommerwiese, auf der Monets Frau Camille unter dem Sonnenschirm ein Buch liest. Ein Höhepunkt des Impressionismus, zeitlos unbeschwert. 1988 erzielte es einmal den Rekordpreis für Monet, und auch jetzt wäre es rekordberechtigt, findet Expertin Giovanna Bertazzoni: „Es ist so gut wie der ,Pont du chemin de fer à Argenteuil‘, der vor einem Jahr 41,5 Millionen Dollar gekostet hat.“

Die Schätzung beträgt allerdings nur 15 Mio. Pfund. 1999 hatte es 15 Mio. Dollar gekostet. Und elf Jahre davor, als es den neuen Rekord für Monet aufstellte, immerhin 14,3 Mio. Pfund.

Wie schlimm steht es also um den Kunstmarkt? Hinter den immer noch exquisit polierten Fassaden haben Sotheby’s und Christie’s mit Entlassungen begonnen. Sie rechnen mit einem dramatischen Einbruch der Auktionsumsätze und sinkenden Preisen und müssen ihre in den Jahren globaler Kunstbegeisterung und steigender Preise aufgeblähten Organisationen drastisch verschlanken, um profitabel zu bleiben. 1991, beim letzten großen Crash, gingen die Umsätze um rund 50 Prozent zurück. Wie viele Mitarbeiter entlassen werden, erfährt man nicht. „Die Konsultationen haben erst angefangen. Wir können nichts sagen“, so die Christie’s-Sprecherin Alexandra Kindermann. Vor allem über dem aufgeblähten Contemporary Sektor stehen Fragezeichen. Marktbeobachter rechnen mit Preiseinbrüchen bis 40 Prozent, weil sich Spekulanten und Modekäufer zurückziehen. Solche Ängste hinterlassen ihre Spuren in den Contemporary-Auktionen, denn sie haben nur ein Drittel des Volumens vom Herbst, setzen aufs Bewährtes und gruppieren es um sichere Höhepunkte. Um Francis Bacons „Man in Blue VI“ von 1954 etwa, das bei Christie’s im Foyer hängt. Diese blauen Figuren machten jüngst in der Bacon-Retrospektive der Tate Gallery Furore, das Pfund ist billig, die Taxe mit 4 bis 6 Mio. Pfund vorsichtig. Ein ideales Objekt, um zu demonstrieren, dass der Kunstmarkt nur von der Wirtschaftskrise und nicht von der eigenen Hybris erfasst wurde.

„Es ist immer noch besser, mit Kunst zu handeln als mit Autos oder Baumaschinen“, erklärt ein Christie’s-Angestellter. In der Tat wäre die Autoindustrie froh, wenn ihre Geschäfte so gut laufen würden wie die New Yorker Altmeisterauktionen. Zwar sitzt auch diesen Käufern das Geld nicht locker in der Tasche – sie waren ja schon immer vorsichtiger und anspruchsvoller als die trendversessenen Contemporary-Käufer. So verliefen die Auktionen zäh, und Erwartungen wurden nicht erfüllt. Aber viele Preise rauschten elegant an den Schätzungen vorbei nach oben.

Der Nachlass des aus Deutschland emigrierten Kunstprofessors Julius Held hatte eine 91-prozentige Erfolgsquote. Das ist auch in den besten Zeiten eine Seltenheit. In der Allgemeinauktion wurde Federico Baroccis Ölstudie des heiligen Johannes ausgerufen, eine erst jetzt in wunderbarem Zustand entdeckte Vorzeichnung für ein Altarbild. Es war auf 400–600 000 Pfund angesetzt und wurde für 1,76 Mio. Dollar an den Londoner Händler Jean-Luc Baroni verkauft. Seine Galerie erwarb auch eine kleine Federzeichnung von Francisco Goya für 698 500 Dollar. „Wenn die Rezession vorbei ist, wird das ein sehr begehrtes Blatt sein“, freute sich der Händler.

Christie’s Auktion brachte nur 15 Mio. Dollar, auch weil das Angebot nicht besonders ehrgeizig war. Sotheby’s schaffte mit den besseren Werken 57 Mio. Dollar. Höhepunkt war Turners großartige Landschaftsidylle „Der wiederaufgebaute Tempel des Jupiter Panellenius“, ein breites Großformat in Öl, das 1816 in der Royal Academy zusammen mit dem Paarstück gezeigt wurde, auf dem der Tempel noch eine Ruine ist. Das Museumsbild gehörte seit 1982 dem New Yorker Händler Richard Feigen, der es jetzt mit einer Schätzung von 12 bis 16 Mio. Dollar abgab und, mit Aufgeld, knapp 13 Mio. Dollar erzielte. In besseren Zeiten wären es mehr gewesen. Aber es wurde gezeigt, dass auch in der Krise noch Millionen für Kunst bezahlt werden. Sogar von kapitalstarken Händlern wie dem Londoner Johnny van Haften. Er bezahlte 10,1 Mio. Dollar für Hendrick Ter Brugghens „Dudelsackspieler im Profil“, der bis zu seiner Restitution im Sommer im Kölner Wallraf-Richartz-Museum hing und auf vier bis sechs Mio. Dollar angesetzt war.

„Der Altmeistermarkt wird weniger durch die Nachfrage als das Angebot bestimmt“, erklärt der Sotheby’s-Altmeisterexperte George Gordon. Auch in guten Zeiten kann eine Auktion schlecht laufen, wenn es nichts Gutes zu verkaufen gibt, während es für das Beste auch in schlechten Zeiten immer Interessenten gibt. Dies ist der Grund, warum man sich nun so viel von Saint Laurent erhofft und weshalb Giovanni Bertozzi so zuversichtlich ist. „Impressionisten haben eine lange Periode der Stabilität hinter sich.“ Es ist die neue cutting edge art, soll das heißen, die noch nicht so lange im Feuerofen des Marktes gehärtete Kunst, die als Erstes über die Klinge springt.

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