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Die Geräuschkünstlerin. Katalin Ladik
„Poemim“ von Katalin Ladik aus dem Jahr 1978.

© Imre Póth

Die „Yoko Ono des Balkans“ : Starke Stimme der Kunst

Katalin Ladikgilt als Pionierin der Geräusch- und Performancekunst. Im Münchner Haus der Kunst zeigt die ungarisch-serbische Dichterin, wie weit sie ihrer Zeit voraus war.

„Ich bin vor allem Poetin,“ betont Katalin Ladik mit charmantem Akzent. „Dann Schauspielerin und Künstlerin“. Dass sie auch mit 80 Jahren noch einen starken Auftritt hinlegen kann, bewies sie im Münchner Haus der Kunst mit gewaltiger Stimme. Zur Eröffnung ihrer Ausstellung trug die ungarisch-serbische Künstlerin ihr Werk „Ooooooooo-pus“ von 1972 mit vollem Körpereinsatz vor. Sie gurrte, sang und stöhnte, krächzte, fiepte, keifte und kicherte die Vokale, während sie zwischen den Zuschauern die Treppen zur Nordgalerie heraufstieg, fast schwebte.

Spitzen Sie ihre Lippen, wiederholen Sie den Buchstaben ,o’ neunmal und lassen Sie Ihre Stimmbänder vibrieren

Performance-Künstlerin Katalin Ladik

An den Wänden reihen sich wie runde Sprechblasen die vielen „O“s aneinander, die zugleich den Titel der Werkschau sind und den Besucher dazu einladen, Katalin Ladiks Kunstpraxis selbst auszuprobieren. Man solle den Titel laut aussprechen. Der Aufforderung „spitzen sie ihre Lippen, wiederholen Sie den Buchstaben ,o’ neunmal und lassen Sie Ihre Stimmbänder vibrieren“ werden vor allem junge Kunstfans kaum widerstehen können.

Ladiks Stimme hört man auch in den oberen Räumen der Schau, fast jeder Collage an der Wand ist ein Lautsprecher zugeordnet, in sechs Vitrinen ist ihre Biografie in Fotos, Zeitschriften, Schallplattencover, Briefen und Texten ausgebreitet. Immerhin hat sie mehr als ein Dutzend Bücher auf Ungarisch verfasst, derzeit arbeitet sie an einem neuen Roman.

Die Künstlerin bezeichnet ihre Partituren als „visuelle Gedichte“. Sie bestehen aus Zeitungs- und Zeitschriftenschnipseln, Notenblättern, Schnittmustern und Fotografien, später auch aus Schaltkreisen von Haushaltsgeräten. Inzwischen arbeitet sie auch an raumgreifenden Installationen.

Drei neue Arbeiten hat sie eigens für die Münchner Schau geschaffen, ihre Stoffarbeit „Follow Me Into Mythology“ (2017), die auf der Documenta 14 in Athen zu sehen war, steht im letzten Saal. Dahinter laufen im Großformat aber ohne Ton Ausschnitte aus Filmen der 1980er Jahre. In den wunderbar naiven Science-Fiction-Streifen verkörpert die gefeierte Schauspielerin weibliche Archetypen in Barbarella-ähnlichen freizügigen Kostümen.

Auftritt Katalin Ladik in ihrer Installation „Ooooooooo-pus“ im Münchner Haus der Kunst.

© Julian Baumann

Katalin Ladik wurde in Novi Sad, dem heutigen Serbien, als Teil der ungarischsprachigen Minderheit geboren. Sie ist bis heute eine Meisterin der Sprachperformance. Klang ist ihr Leitmotiv, ihr Körper der Ursprung ihrer Poesie. Bereits in ihren frühen Zwanzigern, als sie noch als Bankangestellte arbeitete, schrieb und publizierte sie Lyrik, häufig erotischen Inhalts. In ihren feministisch-schamanischen Lautgedichten hinterfragte sie früh sozialistische und künstlerische Geschlechtsidentitäten. In der ungarischen und jugoslawischen Avantgarde-Szene brachte ihr diese Position Anfang der 1970er-Jahre den Titel „Yoko Ono des Balkans“ ein.

Sie war dabei ihrer Zeit weit voraus. Denn Katalin Ladik unterminierte in ihren Gedichten nicht nur Sprachhierarchien und bürokratische Ausdrucksweisen, sie rezitierte ihre Poesie in provokativen Performances, die ihr im puritanischen Ostblock viel Ärger eintrug. „Was ein Mann tun durfte, galt für eine Frau als inakzeptabel“, erinnert sie sich. Unterdrückt fühlte sie sich dennoch nie. Jugoslawien verließ sie 1992 wegen des Kriegs und zog nach Budapest.

Als „nackte Poetin“ wurde sie auch dort diffamiert. In ihrem „Schamanengesang“ trat sie nur mit einem Bärenfell um den nackten Leib und Dudelsack auf. Sie schuf Body-Poetry-Bilder, indem sie sich vor Publikum Buchstaben auf Po, Arme und Busen kleben und stempeln ließ, lange bevor Tattoos zum Lifestyle gehörten. Sie fotografierte sich in Doppelporträts „Androgin“. Sie badete in „Painting the Sea“ (1982) im Meer, das von ihrem eigenen Menstruationsblut rot gefärbt war, Jahrzehnte bevor das „Free Bleeding“ feministisches Programm wurde.

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