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Konzertkritik: "Seid Ihr gut drauf, Alta?"

Sido rockte am Samstag den Columbiaclub. Es war sein viertes Konzert binnen zwölf Stunden. Draußen vor der Halle lauerte die Polizei. Und drinnen war sogar das Fotografieren verboten.

Die beiden kindlichen Sido-Fans gucken traurig aus ihrer XXL-Wäsche. „Unter 16 Jahren kommt Ihr hier nicht rein”, hat ihnen der Türsteher erklärt. Und dabei haben sie doch einen „Erziehungsberechtigen” mitgebracht. Egal, der Türsteher bleibt hart. Ein nicht jugendfreies Konzert soll jugendfrei bleiben.

Familiär geht es auf der Bühne zu. Da sind sie alle: Fler, B-Tight, Bass Sultan Hengzt, der fünfschrötige Tony D. ... nur Sido fehlt erst mal, der ist noch auf dem Weg nach Berlin. Der Auftritt im ColumbiaClub wird sein viertes Konzert an diesem Tag, nach München, Köln und Hamburg. Wie hält das „Super-Intelligente Drogen-Opfer” diesen Marathon bloß durch? Na klar: mit Rauchwaren, palettenweise Jägermeister und einem großen weißen Handtuch.

Junge Bösewichte

Als Sido die Bühne betritt, bin ich schon ziemlich erleichtert, denn außer einer penetranten Demonstration von Gefährlischkeit, Frauenfeindlischkeit und Straßenglaubwürdischkeit haben die Vor-Rapper nicht viel gerissen. Das Publikum sieht das übrigens anders und jubelt dem Rennstall des Über-Labels Aggro Berlin frenetisch zu. „Seid Ihr gut drauf, Alta?” fragen die jungen Bösewichte, nur um im nächsten Atemzug und mit raptechnisch bescheidenen Mitteln zu erklären, warum sie alles und jeden ficken, der ihnen in die Quere kommt. Alta!

Dann kommt Sido, heute ohne Maske. Er ist bleich, trägt Hemd und Kappe mit neonfarbenen Applikationen sowie eine schmale, aber nicht unelegante Sonnenbrille. Im Schlepptau hat er den kleinen Alpa Gun, seinen Backup-Rapper, den böse Zungen als Sidos Marionette bezeichnen, der aber recht nützlich ist, weil er nicht so viel Jägermeister trinkt und dafür immer den Text weiß. Und der geht so: „Ich bin kein Gangster, kein Killer, ich bin kein Dieb / ich bin nur ein Junge von der Straße.” Oha, was hören wir da? Hat Sido mit seiner silberfarbenen Totenkopfmaske auch das Gangsterdasein abgelegt? „Ich bin nicht böse, ich tanz nur ab und zu aus der Reihe / doch ich pass auf, dass ich verhältnismäßig sauber bleibe.” Laaangweilig! Sind wir hier bei den Fantastischen Vier?

Fröhliches Familienfest

Na gut, Sido war immer schon ein bisschen weniger böse und dafür ein bisschen intelligenter als seine Aggro-Kollegen. Prollig ja, aber mit lakonischem Unterton. Die Fans, unter ihnen viele Charlottenburger Ghetto-Kids, wissen Sidos Texte zu schätzen und machen den Abend zu einem Fest. Die Beats sind natürlich wieder vom Feinsten, und Sido kann rappen, ja, und er ist ein guter Entertainer. Zusammen mit Grinsekatze Harris von den Spezializtz lässt Sido hinter dem DJ-Pult Rauchzeichen aufsteigen, damit auch die „25 Zivilbullen im Publikum” etwas zum Interpretieren haben. Sido singt ein Lied und fordert Feuerzeuge, obwohl er überhaupt nicht singen kann. Und zum Abschluss, bei „Mein Block”, sind alle seine Gangster wieder mit vorne auf der Bühne und feiern ein fröhliches Familienfest.

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