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Leslie Malton und Felix von Manteuffel spielen ein in die Jahre gekommenes Paar, das schon lange nicht mehr im Rampenlicht steht.

© ©Thomas Raese / Renaissance Theater Berlin.jpg / Foto: Thomas Räse

Premiere im Renaissance Theater: Drama im Hollywood-Abseits

In „Ein Oscar für Emily“ hofft ein Schauspiel-Paar auf die Auszeichnung ihres Lebens. Stattdessen kommen dunkle Geschichten ans Licht.

Wie viel Anziehungskraft hat die umstrittene Wüsten-WM nun wirklich? Darüber wird ja gegenwärtig viel diskutiert. Ein Gradmesser könnte der Besuch einer Premiere im Renaissance-Theater sein, die das Publikum mindestens die erste Hälfte des Spiels Spanien gegen Deutschland verpassen lässt. In früheren Zeiten ein gewagter Ansatz. Überraschung, oder auch nicht: Es sieht alles nach einem klaren Sieg fürs Theater aus. Volles Haus an der Knesebeckstraße, offenbar besitzen Leslie Malton und Felix von Manteuffel mindestens genau so viel Appeal wie Thomas Müller und Jamal Musiala.

„Ein Oscar für Emily“ heißt das Stück, in dem die beiden ein in die Jahre gekommenes Paar spielen, das schon lange nicht mehr im Rampenlicht steht. Die Schauspielerin Emily White und der Schauspieler Henry Porter fristen stattdessen ihr ganz eigenes „Sunset Boulevard“-Schicksal – im Schatten von Hollywood hausen sie in einem heruntergekommenen Apartment und halten einander verpasste Karrierechancen aus der Liz-Taylor-Zeit vor.

Aufbrezeln für die Oscar-Verleihung

Weil aber die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, werfen sich die beiden zwischen lustvoll versetzten Spitzen („Ich gehe jetzt ins Bad und ertränke mich“ – „Aber mach die Wanne hinterher sauber“) für die „Oscar“-Verleihung am Abend in Schale. Könnte schließlich sein, dass ihr oder ihm der Academy Award fürs Lebenswerk verliehen wird.

Ausgedacht haben sich diesen Plot der mittlerweile verstorbene Schauspieler und Regisseur Folker Bohnet sowie der vormalige Musical-Darsteller Alexander Alexy (heute Zahnarzt), von denen auch Schwänke wie „Liebeslänglich“ oder „Tango unterm Regenbogen“ stammen.

„Ein Oscar für Emily“ punktet auf jeden Fall mit den Hauptfiguren: Zwei unkurierbare Schauspiel-Junkies, die auf einem Technicolor-Trip hängen geblieben sind. In Ermangelung von Publikum leben Emily und Henry ihren Geltungsdrang hemmungslos miteinander aus, spielen sich „Hamlet“ oder „Romeo und Julia“ vor – und gerade, wenn man denkt, der Abend kippe doch arg in Richtung „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, entpuppt sich die Szene als tatsächliche Edward-Albee-Reminiszenz. „There’s no people like show people“, trällert dazu Irving Berlins beliebte Business-Hymne.

Leslie Malton und Felix von Manteuffel spielen sehr gut diese zweitklassigen Mimen, bei denen die Kunstanstrengung zu einem vollends gekünstelten Leben geführt hat. Jeder ihrer Sätze klingt theatralisch verrutscht, aufgesetzt, bisweilen auch herrlich textunsicher. In der Regie von Peter Jordan und Leonhard Koppelmann führen die beiden Theaterrecken – die ja auch im sogenannten echten Leben ein Paar sind – eine Schmierenkomödie der gescheiterten Träume auf. Ein Hassliebesspiel, das mit zunehmender Dauer an Drama gewinnt.

Die Lügen von Gestern

Ein junger Mann namens Jeff (Jonas Minthe), der den beiden Ex-Stars täglich das Essen ins Hollywood-Abseits liefert, entpuppt sich als ihr Enkel. Sein Vater – Emilys und Henrys Sohn Bill – ist in den 1990er Jahren an einer Überdosis Heroin gestorben. Nicht, ohne zuvor einen Brief zu verfassen, in dem er seinen Rabeneltern ihren Karrierewahn und die Sucht nach Erfolg vorhält. Was die derart Angeklagten aber auch nicht aus ihren Vorbereitungen für die große „Oscar“-Nacht reißt. Show must go on! Ein Story-Twist, der hart an der Glaubwürdigkeitsgrenze schrappt.  

Nicht alle Zuschauer:innen bekommen dieses große Lebenslügen-Finale, das für Emily und Henry vor dem Fernseher statt auf der Gala endet, überhaupt noch mit. Nach der Pause bleiben einige Plätze frei im Parkett. Womöglich doch die Verlockung des Anpfiffs im fernen Katar? Einigen wir uns auf Unentschieden zwischen Fußball und Theater.

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