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Till Lindemann

© picture alliance/dpa/Christoph Soeder

Rammstein-Debatte erreicht England: Jetzt diskutieren auch die Briten, ob die Band weiter auftreten soll

Rammstein wurden auch in Großbritannien gefeiert. Doch nun berichtet auch die BBC über die Anschuldigungen gegen Sänger Till Lindemann. Kippt die Stimmung?

Von Tessa Szyszkowitz

Jetzt also doch: Seit die Staatsanwaltschaft in Berlin Ermittlungen gegen Till Lindemann verkündete, horchen die Briten auf. „Untersuchung folgt Anschuldigungen wegen sexuellem Missbrauch“, informiert die BBC. In den Wochen davor hatte es erstaunlich wenig Aufregung in der britischen Öffentlichkeit über den deutschen #Metoo-Skandal bei Rammstein gegeben.

Die BBC hatte sich zumindest noch die Mühe gemacht, Shelby Lynn zu interviewen. Die 24-jährige Nordirin hatte als erste Anschuldigungen veröffentlicht, sie sei in Vilnius beim Rammstein-Konzert mit K.O-Tropfen außer Gefecht gesetzt worden und sei mit schweren Prellungen aufgewacht. „Mein Herz ist gebrochen“, sagte das Fan-Girl mit zitternder Stimme, „ich konnte nicht glauben, dass das passiert ist“.

Rammstein galt in Großbritannien bisher als Kultband, man schätzt die pyromanischen Einlagen. Die intellektuell unterbelichteten Lyrics - „Du holde Braut, steck Bratwurst in dein Sauerkraut“ fällt bei Fans, die kein Deutsch verstehen, auf taube Ohren. Im Video zum Song „Pussy“ wird der deutsche Text von einer auf Englisch gestellten rhetorischen Frage begleitet: „I have a dick, whats the problem?“ Dass Lindemann dazu gern auf einer Spermakanone sitzend Schaum auf die Fans in den ersten Reihen spritzte, fanden viele offenbar lustig.

Dass sich hinter dem ältlichen Matscho-Klamauk des 60-jährigen Frontmannes von Rammstein ein System von Machtmissbrauch und sexuellem Missbrauch verbergen könnte, war der britischen Musikbranche bis gestern kaum einen Gedanken wert.

Nachrichten verbreiten sich auch trotz des digitalen Zeitalters 2023 langsamer als gedacht - vor allem, wenn junge Frauen alte Männer beschuldigen. Und Groupies ihre Idole. „Die Natur der Musikindustrie lädt zu toxischem Benehmen ein“, sagt Cassandra Jones von der Universität Northumbria.

Doch jetzt, wo es strafrechtlich relevant wird, horcht auch London auf. Weniger wegen #Metoo. Es geht eher um das sehr lukrative Konzertgeschäft. Sollte sich der Verdacht erhärten, Frauen seien von der Neuen-Deutschen-Härte-Band Rammstein nicht nur sprachlich sexuell belästigt, sondern auch physisch missbraucht worden sein, dann müssen sich die Konzertveranstalter ein paar Fragen stellen.

Reicht es, dass Lindemann nur seine Sperma-Kanone auf der Bühne nicht mehr zum Einsatz bringt? Soll er am 12. Dezember in der Wembley-Arena auftreten dürfen?

Ergänzung: Mittlerweile wurde das im Text erwähnte Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachtes nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

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