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LIEBLINGS Stück (4): Schwanenhals und Bullenbein

Berlin hat 170 Museen. In den Ferien ist Zeit für Entdeckungstouren. Heute: Christina Tilmann über die Düsseldorfer Laterne im Gaslaternenmuseum Tiergarten.

Das Zuhause-Gefühl. Das Zubettgeh-Gefühl. Das Nicht-alles-ist-dunkel-Gefühl. Kinder bestehen darauf, dass das Licht anbleibt und die Tür angelehnt, damit sie nicht allein sind in der Nacht. Bei uns schien das Licht zum Fenster hinein.

Ein warmes Licht. Ein honiggelbes Licht. Ein besonderes Licht. Kein Wunder, dass es Fans gibt, die um ihre Gaslaternen kämpfen. 17 000 davon gibt es noch in Düsseldorf, 44 000 in Berlin, und die Senatsverwaltung will sie nach und nach ersetzen. Neunzig haben immerhin einen besonders schönen Platz gefunden: im Gaslaternenmuseum im Tiergarten.

Ein Lichtmuseum für die Nacht, das ist die geniale Idee dieses Open-Air-Museums, das seit 1978 Gaslaternen aus aller Welt versammelt. Direkt hinter dem S-Bahnhof Tiergarten geht’s rechts rein, ein langer Weg, und lauter helle Leuchten. Sie haben Namen wie Schwanenhals und Bullenbein, Schwere Bauart oder Zehlendorfer Witwe, tragen Krönchen oder Blumenkranz, kommen aus Brügge und Budapest, Kopenhagen und Köln, Dublin und Düsseldorf. Neunzig gute Geister stehen um dich herum, bewachen deinen Weg, da mag der Schrecken im Gebüsch lauern, mit Knacken und Rascheln, das warme Licht schafft seinen Raum, einen Schutzraum aus Luft, man fühlt sich geborgen. Für mich Berlins romantischster Ort, an so einer Sommernacht.

Leuchttürme für die Stadt, Lichtinseln im Dunkel, Anker für den schwankenden Weg nach Hause, beliebte Treffpunkte auch – Lale Andersen sang mit „Lili Marleen“ der Laterne ihr berühmtestes Lied, und Lucie Mannheim dichtete 1943 für die BBC den bösen Anti-Hitler-Text dazu. Erich Mühsam lobt den Lampenputzer und sorgt sich um sein „Leuchtelicht“ – denn sehr verletzlich ist so ein Licht, das sich exponiert und hervortritt, wo sich das Böse im Dunkeln verbirgt.

Auch davon kann das Laternenmuseum sein bitteres Lied singen, mit dem brutalen Überfall im vergangenen Herbst, als 19 Laternen durch Steinwürfe beschädigt wurden. Nun sind die Schäden behoben, nur die Exemplare Freiburg und München sind derzeit dunkel. Und meine Düsseldorfer Laterne? Sie leuchtet, golden, warm und vertraut, ich erkenne sie sofort, an der zackig geschwungenen Bekrönung. Heimatgefühle. Nachtgefühle. Doch ihr Schild ist beschmiert, ein A für Anarchie prangt darauf, und nur bei ihr. Ach, Düsseldorf war noch nie beliebt. Verlorene Kindheit. Lasst mir mein Licht.

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