zum Hauptinhalt
Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin spielt beim „Ultraschall“-Festival im Sendesaal des RBB im Funkhaus an der Masurenallee.

© rbb/Thomas Ernst

Trendwende in Konzertsälen: Entdecken junge Leute die Klassik für sich?

In den Foyers der Berliner Opern und Konzerthäuser tummeln sich gerade auffallend viele junge Menschen. Woher kommt dieser überraschende Trend zur Klassik? Drei Experten antworten.

Von

Intendanten, Veranstalter und Kritiker beobachten einen Trend, der sie freudig überrascht: Klassische Konzerte in Berliner Häusern werden seit einigen Monaten vermehrt von jungen Menschen besucht.

Ist das ein nachhaltiger Trend? Und wenn ja, was erklärt das gestiegene Interesse dieses jungen Publikums? Wir haben drei Experten dazu befragt.

Alle Folgen unserer Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.


Attraktiv durch die App

Für Berlin lautet die Antwort eindeutig: ja! Grund dafür ist die „ClassicCard“-App, zu der sich Berlins Opern- und Konzerthäuser zusammengetan haben. Über sie haben junge Leute bis 30 die gesamte Klassik-Exzellenz der Stadt im Blick und können günstige Tickets über eine einzige Plattform buchen, auf Wunsch bereits im Voraus und auch für Begleitpersonen.

In Zahlen: knapp 55.000 Downloads der App, 22.000 verkaufte Jahresmitgliedschaften, 100.000 über die App gebuchte Vorstellungstickets seit Einführung der ClassicCard-App im September 2022. Das widerspricht deutlich der über diese Altersgruppe verbreitete Meinung, sie würde sich nicht für klassische Musik interessieren.

Und wer es nicht so mit Zahlen hat, der lasse sich in den drei Opernhäusern, beim Staatsballett, in Philharmonie und Konzerthaus von der erfrischenden Atmosphäre anstecken, die durch die vielen Gäste unter 30 einzieht. Besonders, wenn Künstler am Ende gefeiert werden wie nach einem Olympiasieg!


Bitte nicht zu früh freuen

Wenn es großen Opern- und Konzerthäusern aktuell gelingt, ihre Säle auch mit einem jungen Publikum zu füllen, dann ist das für die klassische Musikkultur ohne Frage erfreulich. Unsere repräsentativen Befragungen der Berliner Bevölkerung geben jedoch leider weniger Anlass zu Optimismus.

In der ersten Saison nach Corona (2022/23) haben wir in unseren Daten einen Trend zu deutlich weniger Kulturbesuchen von jüngeren Menschen beobachtet, der ausdrücklich auch klassische Konzerte und Opern betrifft. Noch stärker als bei Jüngeren sind die Kulturbesuche jedoch bei älteren Menschen zurückgegangen. Das sorgt dafür, dass der Altersschnitt im Publikum sinkt, selbst wenn sich der Kreis jüngerer Besucher*innen ebenfalls verkleinert hat.

Und auch, wenn einige große Konzerthäuser zurzeit wieder volle Säle vermelden, bildet dies leider nicht die Gesamtsituation ab: Denn klassische Konzerte finden auch an anderen, weniger herausgehobenen Orten wie Kirchen oder Parkbühnen statt, die keine eigenen Besuchsstatistiken führen.


Raus aus der Social-Media-Blase

Das Klassik-Publikum stirbt aus! Wenn wir jetzt nicht handeln, spielen die Künstler in 20 Jahren vor leeren Reihen! Wenn ich diese Kassandra-Rufe höre, muss ich schmunzeln. Denn das wurde schon prophezeit, als ich noch Student war – vor mehr als drei Jahrzehnten.

Und wo stehen wir jetzt? Hört man sich aktuell in der Berliner Klassikszene um, berichten die Veranstalter von sensationellen Auslastungszahlen. Opern und Sinfoniekonzerte wurden schon immer von eher älteren Menschen besucht, und diese Zielgruppe wächst offensichtlich kontinuierlich nach. Noch nie aber habe ich so viele junge Gesichter in den Foyers gesehen wie in den letzten Monaten.

Die einen kommen im Streetwear-Look, andere sind schick herausgeputzt, doch alle eint die Neugier. Der Social-Media-Überdruss macht’s möglich. Je länger die tägliche Bildschirmzeit, desto mehr wächst bei vielen das Bedürfnis nach Live-Erlebnissen. Raus aus der Instagram- und TikTok-Blase, rein in die Opernhäuser und Konzertsäle. Herzlich willkommen!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false