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Meinung: „Bosnien wurde mir zur zweiten Heimat“

Er soll mit einer Machtfülle ausgestattet werden, wie es sie in Europa kein zweites Mal gibt. Christian Schwarz-Schilling, CDU-Politiker, wurde jetzt von der Bundesrepublik für das Amt des Hohen Repräsentanten der Staatengemeinschaft in Bosnien-Herzegowina (OHR) vorgeschlagen.

Von Caroline Fetscher

Er soll mit einer Machtfülle ausgestattet werden, wie es sie in Europa kein zweites Mal gibt. Christian Schwarz-Schilling, CDU-Politiker, wurde jetzt von der Bundesrepublik für das Amt des Hohen Repräsentanten der Staatengemeinschaft in Bosnien-Herzegowina (OHR) vorgeschlagen. Der 74-Jährige, der als aussichtsreichster Kandidat für das Amt gilt, übernähme damit die Rolle des Quasi-Staatschefs einer Sandkasten-Demokratie, die politisch noch laufen lernt und wo der Hohe Repräsentant Amtsträger entlassen darf, wenn sie sich nicht an Spielregeln und Gesetze halten. Von diesen so genannten „Bonn Powers“ macht der amtierende OHR-Kopf Paddy Ashdown beherzt Gebrauch, der Dutzende nationalistischer oder korrupter Leute schasste. Auf „Kristijan Švarc-Šiling“, wie ihn die Bosnier schreiben, käme ab Januar 2006 die diffizilste Epoche Nachkriegsbosniens zu. Reformiert werden soll das wacklige Dayton-Konstrukt von 1995, das drei „ethnische“ Gruppen mühsam beieinander hält und einen Wasserkopf an Bürokratie hervorgebracht hat. Vetternwirtschaft und Korruption sollen eingedämmt, Verhandlungen mit Brüssel über ein Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen (SAP) eingeläutet werden, ein erster Schritt in Richtung EU-Mitgliedschaft.

In den Jahren als Postminister ab 1982 galt der studierte Sinologe und einstige Unternehmer Schwarz-Schilling, Wegbereiter des Privatfernsehens, als glücklos. Als er 1992 seinen Rücktritt einreichte, tobte in Bosnien der Krieg der Serben gegen die Bosniaken. Damals hatte Schwarz-Schilling, Sohn eines deutschen Komponisten und einer polnischen Pianistin, die unter dem Naziregime Auftrittsverbot hatte, im Kabinett seine „Scham und Bestürzung“ über Deutschlands Untätigkeit angesichts der Kriegsgräuel geäußert. Zunehmend setzte er sich für Menschenrechte ein, um ab 1995 den Posten des „Internationalen Streitschlichters für die Föderation Bosnien und Herzegowina“ zu übernehmen. 180 Reisen unternahm der rasch lernende Vermittler zwischen Bosniaken, Serben und Kroaten. „Sein Team liebt ihn“, sagt der bosnische Politologe Sanin Hasibovic, „weil er engagiert ist und loyal und viel von Bosnien versteht“. In Zukunft müsse es vor allem darum gehen, erklärt Schwarz-Schilling, „Bosniens Eigenverantwortung zu stärken.“ Ende November soll der Europäische Rat die Personalentscheidung treffen. Schwarz-Schilling wäre wohl eine Idealbesetzung.

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