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Handydaten: Der Staat tut nichts Unrechtes

Überrascht sind Politiker und Datenschützer in Berlin von den raumgreifenden Handydaten-Ermittlungen der Polizei. Das überrascht. Schließlich kommen die Behörden nur ihrer Pflicht nach.

Nachdem Alexander Graham Bell das Telefon erfunden hatte, verging nicht viel Zeit, bis sich Ermittler für Verbindungsdaten interessierten. Ein Interesse, das mit der Verbreitung mobiler Kommunikation erhalten blieb, weshalb sich für die im Polizeideutsch „Funkzellenabfrage“ genannte Maßnahme im Gesetz eine taugliche Grundlage findet. Richter prüfen, bevor sie sie für eine Fahndung erlauben.

Man kann fragen, ob dieses Gesetz die Rechte Unbeteiligter ausreichend schützt; man kann auch fragen, ob Richter im Einzelfall richtige Entscheidungen trafen, die die Verhältnismäßigkeit wahrten. Skandalöses hat sich jedoch bisher noch nicht ereignet. Skandalös ist vielmehr, dass Politiker oder Datenschützer jetzt so überrascht von alldem scheinen. Skandalös ist, wenn die Serie von Brandstiftungen in Berlin zur Bagatellkriminalität heruntergeredet wird, die es nicht zulassen würde, alle zu Gebote stehenden Fahndungsmittel einzusetzen.

Die alte und neue Sensibilität gegenüber staatlicher Datensammelei und Datenherausgabe hat einen berechtigten Hintergrund. In Deutschland geht es aufgrund der Geschichte um mehr als um ein Unwohlsein. Es ist die Angst, dass sich der Staat wieder gegen seine Bürger wendet. Datenschutz gehört deshalb zum Selbstverständnis dieser Republik. Daraus folgt jedoch nicht, dass aus allem, was damit in Konflikt steht, automatisch Unrecht wird. Wenn dieser Eindruck erweckt wird, kann es uns den Blick dafür trüben, wann es wirklich zu Unrecht kommt. Das sollten wir nicht zulassen.

Empfindlichkeit ist also gut, Überempfindlichkeit schadet. Sie hindert daran, pragmatische Politik zu machen. Damit gerät die Vorratsdatenspeicherung in den Blick, die im Zusammenhang mit der Funkzellenabfrage eine indirekte Rolle spielt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regeln dafür gekippt und deutliche Worte gefunden, wo die Grenzen der Sammelei sein sollten. Der Geist dieses Urteils, wenn es denn so etwas gibt, verlangt sogar, die Datensammlung auf Vorrat für alle Zeit abzuschaffen.

Wer Geistern folgen möchte, mag dies tun. Die Buchstaben des Urteils sagen anderes, sie haben das Sammeln von Verbindungsdaten, auch anlasslos und auf Vorrat, ausdrücklich erlaubt. Deshalb gibt es auch keinen Widerspruch zur Funkzellenabfrage. Es ist auch sinnvoll, die Verbindungsdaten zur Abwehr und Verfolgung von Straftaten rechtsstaatlich begrenzt zugänglich zu halten, wie es seit Jahrzehnten Praxis ist. Gäbe es dafür eine anerkannte Regelung, es würden sich manche Probleme, Missverständnisse und vermeintliche Skandale erübrigen – und vielen Menschen wäre wohler damit.

Leider gibt es sie nicht. Die zuständige Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger verweigert Kompromisse. Sie folgt dem Geist des Urteils, nicht den Buchstaben; sonst wüsste sie, dass das von ihr favorisierte „Quick-Freeze“-Verfahren“ – also das Speichern der Daten nur auf konkrete Anordnung – keine echte Alternative ist. Sie hält die Lücke, die das Bundesverfassungsgericht aufgrund ihrer Klage gerissen hat, mit aller Kraft offen. Sie hofft, daraus bliese ein frischer Wind für ihre müde FDP. Datenschutz, das ist ihr Thema, ihr einziges. Da akzeptiert sie auch eine Politik, die Missverständnisse fördert. Liberal ist das nicht.

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