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Ein Leopard 2A6 der Bundeswehr steht beim Besuch von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst bei der Panzerbrigade 21 Lipperland.

© IMAGO/Panama Pictures

Deutschland als militärische „Führungsmacht“: Auch auf dem Papier müssen jetzt endlich die Panzer rollen

Landesverteidigung, Bündnisverteidigung, Krisenmanagement – es ist höchste Zeit für eine nationale Sicherheitsstrategie. Dabei ist größtmögliche Transparenz nötig.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Was selbstverständlich erscheint, ist es nicht: dass aus Deutschlands Größe, seiner geografischen Lage, seiner Wirtschaftskraft und damit seiner Bedeutung in der Weltpolitik ein neues Rollenverständnis folgt. Christine Lambrecht, die Verteidigungsministerin, hat das Thema aufgemacht, hat es jetzt mit Macht und Bedacht auf die Tagesordnung gebracht.

Und sie hat zweimal recht: Deutschland ist, so gesehen, eine Führungsmacht, ob wir es wollen oder nicht, „auch im Militärischen“.

Die Herausforderung dadurch, dass es jetzt ausgesprochen ist und dass die Regierung die Worte nicht ohne Schaden aufheben oder zurücknehmen kann, ist allerdings enorm.

Denn wahr ist: Als guter Nachbar, als Demokratie und als Verbündeter ist die Rolle für Deutschland nicht zuletzt eine dienende. Diese Diskrepanz zu überbrücken, ist intellektuell anspruchsvoll wie nichts sonst. Bei dieser Rolle darf um der guten Zusammenarbeit willen eben auf keinen Fall nationales Prestige im Vordergrund stehen.

Europa muss sich zu einem Pfeiler transatlantischer Zusammenarbeit entwickeln

Aber genau das ist Lambrecht bewusst, sie sagt es auch genau so. Wie gut. Hybris wäre nur ein Hindernis, Selbstbezogenheit führte nicht zu einer Strategie.

Die umso nötiger ist, weil Europa sich nun, wie der Ukrainekrieg ein weiteres Mal überdeutlich zeigt, endlich zu dem Pfeiler transatlantischer Zusammenarbeit entwickeln muss, den schon John F. Kennedy als US-Präsident in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts vor Augen hatte.

Im Zeitalter der Globalisierung müssen die Europäer endgültig mehr und mehr ihre Sicherheit selbst organisieren und damit auf ihrem Kontinent Verantwortung für Freiheit und Frieden übernehmen.

Global denken, wo nötig regional handeln. Landesverteidigung, Bündnisverteidigung, gemeinsames Krisenmanagement – es ist hohe Zeit, schon länger, dafür eine nationale Sicherheitsstrategie zu schreiben.

Ein Befreiungsschlag nach viel Kritik

Die Ministerin hat sie jetzt angekündigt, als „bislang einzigartiges Grundlagendokument“. Ganz neu ist die Erkenntnis nicht, aber neu ist der Vorstoß zur Realisierung. Er wirkt zugleich wie ein Befreiungsschlag nach der vielen Kritik an Armee und Ibuk, der „Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt“.

Die „Hardware“ wird kommen, das steht schonmal fest: drei wirklich komplett einsatzbereite, also kampffähige, Heeresdivisionen, mit jeweils drei Brigaden plus Zusatzkräften. Nur muss es schneller gelingen, sie aufzustellen. Die Zeiten gerade zeigen, dass es nicht bis in die dreißiger Jahre hinein dauern darf. Der Kontinent ist unruhig.

Zugerüstet werden muss aber, wenn es eine „Nationale Sicherheitsstrategie“ sein soll, dringend auch die Nation. Den Menschen hierzulande fehlt das große Bild, um die Lage vollends beurteilen zu können.

Größtmögliche Transparenz aller Entscheidungen, bis hin zum Rüstungsbereich, ist deshalb zwingend nötig. Und kann daneben das wichtige zivile Element einer Strategie bedienen. Immerhin ist die sogenannte zivil-militärische Zusammenarbeit ein Erfolgsfaktor, sie sichert oft genug am Ende den Erfolg.

„Auch im Militärischen“ eine Führungsmacht sein zu wollen, heißt schließlich umgekehrt logischerweise: nicht nur. Wer andere beteiligt, die Entwicklungsministerin beispielsweise, die Außenministerin, schafft im Sinne weitgespannter internationaler Kooperation wichtige Bindeglieder. Und versichert sich national politischer Unterstützung.

„Deutschland kann das“, sagt Lambrecht. Die Verteidigungsministerin hat sich in die Lage manövriert, dass sie jetzt den Beweis dafür antreten muss – und außerdem dafür, dass sie den Prozess steuern kann, im Land wie in ihrer Partei, der SPD. Der wird die Neuausrichtung zumindest jetzt noch eher martialisch daherkommen.

Womöglich kommt Lambrecht allerdings zugute, dass sie aus der Parlamentarischen Linken stammt, und dass sie, was ein bisschen wie Ironie der Geschichte klingt, in ihrer bisherigen Zeit keine allzu tiefe Verbundenheit mit dem Militär gezeigt hat. Heißt: Hier kann auch die Ministerin ihre neue Rolle finden – kluge Distanz kann zur Brücke für Skeptiker werden.

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