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Meinung: Index von Angst und Gewinn Der Dax wird 15 Jahre alt –

und hält, was er verspricht

Der Dax hat Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch! Einen Grund zum Feiern haben alle Anleger der ersten Stunde, die am 1. Juli 1988 ihre Ersparnisse auf den Deutschen Aktienindex gesetzt haben: In 15 Jahren hat sich ihr Einsatz verdreifacht. Trotz New-Economy-Blase und anschließendem Absturz hält das wichtigste deutsche Börsenbarometer, was die Erfinder in den 80er Jahren versprochen hatten: Qualität und Werthaltigkeit – auf lange Sicht. In Krisenzeiten wird das schnell vergessen.

Das Dax-Jubiläum fällt in eine solche Krise. Sie betrifft allerdings weniger den Index selbst – er befindet sich seit Mitte März in einem fulminanten Aufschwung –, sondern vielmehr die so genannte Aktienkultur und die im Dax versammelte Deutschland AG. Beide stehen seit dem Platzen der Spekulationsblase vor drei Jahren im Zentrum einer Debatte um mehr Transparenz, Anlegerschutz und eine bessere Unternehmensführung (Corporate Governance). Die Diskussion hat in Deutschland spät, sehr spät begonnen. Es musste erst einen Crash der Kurse und des Vertrauens geben, um allen Beteiligten die Augen zu öffnen. Und eine herbe Enttäuschung: Am amerikanischen Aktienmarkt brachen Enron und Worldcom unter Betrugsskandalen zusammen und rückten die Heimat des Shareholder Value ins Zwielicht.

Seitdem ändern sich die Prioritäten: Geprellte Anleger denken heute darüber nach, wie sie Schadenersatz bekommen – nicht darüber, wie sie wieder möglichst schnell möglichst viel Geld an der Börse verdienen können. Unternehmen fragen sich, wie sie ihre marode Kapitalbasis stärken – nicht, wie sie ihre Aktien möglichst teuer an der Börse verkaufen. Und enttäuschte Aktionäre erwarten, dass ihre Vorstände ehrbare Kaufleute sind – und keine Popstars auf Chefsesseln.

Der Bewusstseinswandel tut allen gut. Wie viel verdient ein Dax-Vorstand? Wie bekommen betrogene Anleger Recht? Wie sichern sich Aktiensparer gegen den Totalverlust ab? Nach dem Aufstieg und Fall des Dax und des Neuen Marktes wird die Krise genutzt, um Antworten zu finden: Gesetze wurden verändert, der Corporate-Governance-Kodex verbindlicher und Anlageempfehlungen seriöser formuliert. Eine Erkenntnis allerdings bleibt uns nicht erspart: Die Aktienkultur war eine Illusion. Die T-Aktie war kein festverzinsliches Wertpapier und die Deutschen sind keine Volk von Aktionären geworden. EM.TV konnte kein Geld verschenken, und die New Economy hat uns nicht alle zu Millionären gemacht. Viele Kleinanleger werden der Börse deshalb für immer den Rücken kehren. Zurück bleibt der harte Kern. Der ist für das riskante Geschäft mit der Angst – und der Gier – vielleicht auch besser geeignet.

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