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CDU in Bremen: C wie chaotisch

Bremens rot-grüne Koalition kann ein halbes Jahr vor der Wahl frohlocken: CDU und FDP zerlegen sich – und bekommen Konkurrenz.

Ein halbes Jahr vor der Bürgerschaftswahl in Bremen kann die rot-grüne Koalition entspannt in die Zukunft blicken. Die Opposition steckt in einer Krise, und Wirtschaftshonoratioren basteln an einer Konkurrenzliste für die Wahl, die den gebeutelten Christ- und Freidemokraten in der Hansestadt zusätzlich zu schaffen machen könnte. Die Neulinge dürften die FDP sogar unter die Fünf-Prozent-Hürde drücken – ähnlich wie 1995, als erstmals die konservative SPD-Abspaltung „Arbeit für Bremen“ (AfB) antrat und auf Anhieb 10,7 Prozent ergatterte.

Die AfB ist längst tot, aber die neue Konkurrenz bedroht CDU und FDP in denkbar ungünstiger Lage: Die Freidemokraten, die bei der letzten Bremen-Wahl gerade mal auf sechs Prozent kamen, sind seit langem zerstritten. Bei ihnen scheint es zum guten Ton zu gehören, in anonymen E-Mails an die Presse übereinander herzuziehen. Der nassforsche Landesvorsitzende Oliver Möllenstädt wurde sogar schon von seinem Vize öffentlich zum Rücktritt aufgefordert.

Aber auch die CDU bot zuletzt „ein Bild der Zerrissenheit und Zerstrittenheit“, wie ein Parteifunktionär eingesteht. Bei ihr steht das C eher für „chaotisch“ als für „christlich“. Fast 29 Jahre lang wurde der Landesverband autoritär von Bernd Neumann (68) geführt. Doch 2008 wollte sich der alte Kämpe nur noch auf sein Amt als Kulturstaatsminister konzentrieren und überließ den Vorsitz dem Chef der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Thomas Röwekamp (44).

Seitdem ist die Partei kaum wiederzuerkennen. Bei der Kandidaten-Vorauswahl für die Bürgerschaftswahl 2011 fielen altgediente Abgeordnete ohne Vorwarnung durch. Der Umgangston wird rauer. Da beschimpft ein Partei“freund“ den anderen schon mal als „politische Nutte“. Mehrere Funktionsträger verließen frustriert die Partei; eine Abgeordnete wechselte sogar zur SPD.

Röwekamp beschwichtigt: Ihm sei Unruhe „lieber als Grabesstille“. Der 44-Jährige, einst als Innensenator ein scharfer Hund, gibt sich modern. Er lässt die Basis mehr mitbestimmen und hat die CDU für frische Ideen und jüngere Leute geöffnet, darunter sogar ein gläubiger Muslim als neuer Bürgerschaftskandidat. Ein „Zukunftspapier“ propagiert unter anderem, autofreie Siedlungen zu schaffen. Mit Hilfe einer Marketingagentur ließ Röwekamp neue Parteislogans entwickeln: „Richtig gute Partei!“ und „kompetent, fair, innovativ“. Sprüche, so austauschbar wie Waschmittelwerbung.

So erstaunt es nicht, dass sich gestandene Konservative und vor allem Wirtschaftsvertreter von dieser „richtig guten Partei“ nicht mehr richtig gut vertreten fühlen – von der FDP aber auch nicht. Folgerichtig haben jetzt 16 ältere Herren und eine Frau einen Verein namens „Selbstständiges Land Bremen“ gegründet, als Basis für eine noch zu gründende Wählerliste. Ihre Ziele: Die Wirtschaft soll wieder mehr gefördert, das Straßennetz ausgebaut und überhaupt das ganze Bundesland vor dem Ruin und dem Verlust der Selbstständigkeit gerettet werden.

Chef der Altherrenmannschaft ist der einstige Bananenimporteur Bernd-Artin Wessels (69), der 1991 noch als CDU- Wirtschaftssenatorkandidat auftrat, aber schon vor Jahren ausgetreten ist. Mit dabei sind auch ein Ex-FDP-Landesvorsitzender, ein einstiges Hapag-Lloyd-Vorstandsmitglied, ein früherer Handelskammerpräses, ein Ex-Stahlwerke-Chef und der renommierte Mathematikprofessor Heinz-Otto Peitgen.

Peitgen ist auch Chaosforscher. Das passt gut zur Lage der Bremer Opposition. Denn neben CDU und FDP lässt auch die Linke öfter die Fetzen fliegen. Zuletzt verlor die siebenköpfige Fraktion ihre umstrittene frühere Vizechefin Sirvan Cakici: Sie wechselte zur SPD. Damit sind innerhalb eines halben Jahres schon drei Abgeordnete von Grünen, CDU und Linken zu den Sozis übergetreten. Die können inzwischen vor Kraft kaum noch laufen. Sie nominierten ihren Bürgermeister Jens Böhrnsen mit glatten 100 Prozent als Spitzenkandidaten. Aber auch die Grünen halten ziemlich zusammen: Finanzsenatorin Karoline Linnert wurde mit fast 97 Prozent auf Listenplatz eins gesetzt.

So sieht es derzeit ganz danach aus, dass Rot-Grün weitere vier Jahre Bremen regieren kann. CDU-Chef Röwekamp sagt trotzdem: „Wir setzen auf Sieg.“ Er selbst will sein Team allerdings nicht zum Sieg führen: Die Spitzenkandidatur überlässt er nach seinem mageren Ergebnis von 2007 (25,6 Prozent) nun seiner Stellvertreterin Rita Mohr-Lüllmann.

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