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Politik: Der letzte Zeuge

Der Mzoudi-Prozess geht nun doch weiter – ein Überläufer des iranischen Geheimdienstes behauptet, Teheran kooperiere mit Al Qaida

Von Frank Jansen

Es gibt eine neue Überraschung im Hamburger Terrorprozess: Das Oberlandesgericht wird an diesem Donnerstag nicht, wie allseits erwartet, den Angeklagten Abdelghani Mzoudi freisprechen oder ihn mit einem anderen Urteil konfrontieren. Plötzlich ist wieder unklar, wann es dazu kommt, denn die Bundesanwaltschaft hat in letzter Minute einen neuen Zeugen präsentiert. Bevor dieser jedoch gehört werden kann, sind zwei Beamte des Bundeskriminalamts und Bundesanwalt Bruno Jost geladen, die über ihre Gespräche mit dem neuen Zeugen Auskunft geben sollen. Der Mann ist ein Überläufer aus dem iranischen Geheimdienst. Was dieser berichtet haben soll, klingt abenteuerlich: Al Qaida plane, Mzoudi zu ermorden, weil er mit den deutschen Behörden kooperiere. Und: Die iranische Führung sei in die Anschläge vom 11. September verwickelt.

Zunächst zu Mzoudi. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, er habe in Hamburg die Zelle um den späteren Selbstmordpiloten Mohammed Atta unterstützt und damit Beihilfe zum Mord an 3189 Menschen geleistet. Der 3. Strafsenat entließ Mzoudi jedoch im Dezember aus der Untersuchungshaft, nachdem das Bundeskriminalamt per Fax überraschend eine entlastend wirkende Aussage einer anonymen „Auskunftsperson“ präsentiert hatte. Seither versucht die Bundesanwaltschaft mit aller Kraft, das Gericht doch noch von Mzoudis Schuld zu überzeugen.

Der jetzt genannte neue Zeuge will angeblich Mitte Dezember aus dem iranischen Sicherheitsapparat die Information bekommen haben, Mzoudi stehe in Verbindung zu Al Qaida. Da die Terrororganisation fürchte, Mzoudi arbeite für die deutschen Behörden und gebe Informationen preis, solle er „liquidiert“ werden. Weiter behauptet der Zeuge, Mzoudi sei „in der Logistik der Operation 11. September“ tätig gewesen. Mzoudis „Arbeitsbereich“ sei der Entwurf und die Entsendung von Informationen an Verbindungsleute gewesen, „da er sich mit Codes gut auskannte“. Wenn diese Angaben stimmen, wäre Mzoudi als Anhänger von Al Qaida belastet. Ob der iranische Ex-Agent die Wahrheit sagt, ist jedoch zweifelhaft. Der Mann behauptet auch, am 4. Mai 2001 hätten sich der geistliche Führer des Iran, Ajatollah Chamenei, Ex-Staatspräsident Rafsandschani und drei weitere Ajatollahs mit dem ältesten Sohn von Osama bin Laden getroffen. Bei dem Gespräch auf einer Luftwaffenbasis nahe Teheran seien die endgültigen Pläne für den Terrorangriff des 11. September vereinbart worden. Zudem habe auch Osama bin Ladens Stellvertreter, der Ägypter al Zawahiri, im Januar 2001 einem hochrangigen iranischen Geheimdienstler von einer „bedeutenden Operation gegen die USA und Israel“ berichtet.

Der neue Zeuge sagt aber nach Informationen des Tagesspiegels auch, der 11. September sei in Afghanistan geplant und von Syrien aus koordiniert worden. In Hamburg sei dann „mit der Umsetzung begonnen worden“. Einen Teil der Informationen hat der Ex-Agent schon einem US-Journalisten erzählt, der im Juni 2003 seine Geschichte im Internet veröffentlichte. Ohne großes Echo. Die Bundesanwaltschaft hegt Zweifel an den Angaben des Zeugen. Sie hat beantragt, den Mzoudi-Prozess für 30 Tage zu unterbrechen – um die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu prüfen.

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