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Politik: Die gesunde und die kranke Schwester (Leitartikel)

Merkwürdigerweise unternimmt die CSU keinerlei Versuche, aus der Krise ihrer Schwesterpartei Profit zu schlagen. Einige Christsoziale sind eher für Angela Merkel, andere verstehen Helmut Kohl, Edmund Stoiber graust es vor dem "Masochismus" der CDU.

Merkwürdigerweise unternimmt die CSU keinerlei Versuche, aus der Krise ihrer Schwesterpartei Profit zu schlagen. Einige Christsoziale sind eher für Angela Merkel, andere verstehen Helmut Kohl, Edmund Stoiber graust es vor dem "Masochismus" der CDU. Aber alles ohne erkennbar böse Absicht. Hat Sanft- und Edelmut die CSU erfasst? Oder ist die Verfassung der CDU so schlecht, dass die von dieser Spendenaffäre unbehelligte CSU fürchten muss, die große Schwester würde dauerhaft nicht wieder auf die Füße kommen?

Wie schwierig die Lage für die CDU mittlerweile ist, zeigt sich in ihren Rettungsversuchen. Die neueste Idee lautet: Flucht in die Inhalte. Das hat die Parteiführung für die Klausurtagung in Norderstedt auf die Tagesordnung gesetzt. Wolfgang Schäuble möchte gern etwas demonstrieren: Weil die Öffentlichkeit nicht mehr hinhört, wenn die Union über Sachthemen spricht, wird das Land um eine wichtige und gehaltvolle Oppositionsarbeit gebracht. Er führt allerdings unfreiwillig das Gegenteil vor.

Außenpolitsch hat seine Partei an der Regierung nicht sehr viel auszusetzen. Den Sparkurs von Hans Eichel können die Christdemokraten im Ernst auch nicht kritisieren. Und jetzt kommt der Mann auch noch mit jener von der Union schon lange geforderten Steuererleichterung. Was soll man da noch fordern? Ein paar Milliarden mehr für das Wahlvolk! Wen soll das beeindrucken?

Nein, auf den Hauptfeldern der Politik macht die rot-grüne Regierung derzeit genau das, was die schwarz-gelbe auch getan hätte, wenn sie noch die Kraft dazu gehabt hätte. Die Flucht in die Inhalte endet bei der Union dagegen in emotional aufgeladene Nebenthemen wie der zweiten Stufe der Ökosteuer und dem EU-Beitrittsstatus der Türkei. Aber selbst das will nicht funktionieren, weil die Öffentlichkeit dieses Reden-Wollen über Inhalte sofort als ein Nicht-Reden-Wollen über die Spendenaffäre interpretiert. Denn dabei ist die CDU keinen einzigen Schritt vorwärts gekommen.

Schuld daran ist Helmut Kohl, der einfach verweigert, worum ihn die Partei inständig gebeten hat: Er nennt die Namen der Spender nicht. Insofern ist es nur konsequent, dass er zur Klausurtagung nicht erscheint. Dennoch ist der Satz Schäubles, die Ära Kohl sei zu Ende, eher ein Wunsch als eine Feststellung. Heimlich und innerlich fühlt sich die Union zwischen zwei Thesen hin und her geworfen. Angela Merkel behauptet, die Aufklärung der Affäre hätte weniger schwere Folgen als das Verschweigen und das Aussitzen. Ihre Position ist geis-tig-moralisch zweifellos die richtige. Helmut Kohl dagegen behauptet unterschwellig, dass die Aufklärung der Partei noch mehr schaden würde. Eines immerhin spricht für seine Position: Er muss es ja wissen.

Zwischen diesen Hauptthesen laviert der arme Schäuble. Der wirkt bei alldem immer müder und zerknirschter. Die Partei wünscht sich im Grunde, dass Helmut Kohl alles auf sich nimmt - und sie dabei befreit. Und die recherchierende, mitunter auch jagende Öffentlichkeit, versucht nachzuweisen, dass es die ganze CDU-Spitze war, dass auch Matthias Wissmann, Jürgen Rüttgers, Volker Rühe, Angela Merkel und natürlich Wolfgang Schäuble involviert und verbraucht sind. Was bliebe, wenn das gelingt: eine spendendurchseuchte Partei, regierungsunfähig auf Jahre hinaus. Das will Wolfgang Schäuble verhindern. Eingezwängt zwischen Merkels harter Klarheit und Kohls verhüllter Wahrheit wird er die Union nicht retten können, ohne selbst politisch Schaden zu nehmen. Dann gibt es immerhin noch einen Bayern, und der ist bestimmt kein Masochist.

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