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Gang in eine unklare Zukunft. Ob für den Zivildienst oder den Ministeriumssitz auf der Bonner Hardthöhe – die Folgen der Bundeswehrreform sind noch nicht absehbar. Fotos: dpa (2)

© picture alliance / dpa

Bundeswehrreform: Die Truppe bekommt den Schrumpfbefehl

Ministerium, Standorte, Personal – 2011 werden die Folgen der Bundeswehrreform erst richtig spürbar.

Von Michael Schmidt

Jetzt gilt’s. Jetzt muss den schlagzeilentauglichen Überschriften des vergangenen Jahres – Bundeswehrreform, Ende der Wehrpflicht, Aus für den Zivildienst – raschestmöglich das kleingedruckt Konkrete folgen. Und das könnte politisch noch höchst ungemütlich werden für Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Ärger droht an allen Fronten, mit Widerstand ist zu rechnen: Niemand schreitet mit Elan zur Tat, wenn es um die eigene Selbstabschaffung geht. Genau das aber ist von den Mitarbeitern des Ministers jetzt gefragt. Und vieles mehr. Die Reform-Arbeit beginnt erst.

Denn die Bundeswehr soll sparen: 8,4 Milliarden Euro bis 2014. Sie soll kleiner werden, moderner und effizienter: Die Zahl der Soldaten soll von 250 000 auf bis zu 185 000 reduziert werden, die Zahl der zivilen Mitarbeiter von bisher 75 000 auf 60- bis 70 000 – möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen. Und da der Fisch zumeist vom Kopf her stinkt, macht die Reform auch vor dem Ministerium selbst nicht halt. Eine Kommission unter der Leitung des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, hatte Ende Oktober in ihrem Abschlussbericht die Strukturen im Verteidigungsministerium als ineffizient kritisiert, zersplittert und „systematisch überstrapaziert“. Weises Vorschlag: Das Ministerium halbieren und in Berlin zusammenführen. Statt derzeit rund 3300 seien nur 1600 Mitarbeiter nötig, in Bonn reiche eine untergeordnete Bundeswehr-Behörde. Und die verschiedenen Stäbe – nicht selten gibt es drei Arbeitsgruppen in verschiedenen Bereichen, die genau das Gleiche machen und die „zum Teil die Informationen verfälschen und blockieren“ –, die brauche es nicht, sagte Weise weiter. Das wird man im Hause, aus dem nun Vorschläge erwartet werden, um die Probleme zu beheben, nicht eben gern gehört haben.

Guttenberg, mit dem Stolz des Vornewegmarschierenden, wird nicht müde, von der „einschneidensten Reform in der Geschichte der Bundeswehr“ zu sprechen. Doch die La-Ola-Welle der Begeisterung könnte sich an den Mauern jener Kasernen brechen, für die der Umbau der Truppe nichts anderes heißt als: Dieser Standort wird geschlossen. Noch weiß niemand, wen es treffen wird. Das Ministerium arbeite daran, heißt es. Guttenberg selbst hatte im Mai 2010, ohne konkreter zu werden, davon gesprochen, dass „Standorte unterhalb einer bestimmten Dienstpostenzahl“ wegfallen sollten. Zurzeit ist jeder Standort im Schnitt mit 900 Soldaten belegt. Das ist dem Minister offenbar zu wenig. Im Superwahljahr 2011 könnte ihm jedoch aus jenen Ländern ein steifer Wind ins Gesicht blasen, in denen er beizeiten Kasernen wird ausgucken müssen, die er schließen will. Mit Beschwerden von Bürgermeistern auf Besuch im Bendlerblock ist zu rechnen.

Offen ist, wie die Bundeswehr nach dem Ende der Wehrpflicht künftig Jahr für Jahr bis zu 15 000 Freiwillige gewinnen will. Ein neues Rekrutierungssystem ist noch nicht aufgebaut. Die meisten der 52 Kreiswehrersatzämter, die bisher vor allem für die Musterung der Wehrpflichtigen zuständig waren, sollen geschlossen werden. Die derzeit vier Zentren für Nachwuchsgewinnung in Berlin, Düsseldorf, Hannover und München bleiben wahrscheinlich für die Anwerbung Freiwilliger erhalten. Voraussetzung dafür, dass die überhaupt in nennenswerter Zahl den Weg in diese Zentren finden, ist allerdings eine deutlich attraktivere Gestaltung des Soldatenberufs. Künftig muss die Bundeswehr als normaler Wettbewerber auf dem Arbeitsmarkt auftreten. Dafür braucht es gute Jobs mit einer guten Bezahlung – gedacht ist, je nach Dauer, an einen Sold von 777 bis 1100 Euro, deutlich mehr als bisher – und guten, das heißt vor allem familienfreundlicheren Bedingungen. Heute sind zum Beispiel 70 Prozent aller Soldaten auf eine Zweitwohnung angewiesene Wochenendpendler. Das müsse sich dringend ändern, findet nicht nur der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP).

Mit der Wehrpflicht fällt auch der Zivildienst weg, eine bisher tragende Stütze des Sozialwesens in Deutschland. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) will die entstehende Lücke, wenigstens ansatzweise, mit einem Bundesfreiwilligendienst stopfen. 35 000 Stellen pro Jahr sollen Männern und Frauen ab 16 Jahren offen stehen. Der Einsatz soll in der Regel zwölf, mindestens aber sechs und höchstens 24 Monate dauern. Das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr sollen durch den neuen Dienst ergänzt werden, der, so viel ist klar, die bisher rund 75 000 Zivis nicht wird ersetzen können.

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