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Politik: Kein „heimlicher Präsident“

Merkel warnt vor Machtkonzentration an der Spitze der EU

Berlin/Brüssel (dpa/hmt). Der Vorstoß von Deutschland und Frankreich zur Reform der Führung der Europäischen Union ist im Bundestag auf allgemeine Zustimmung gestoßen. CDUChefin Angela Merkel warnte aber vor einer zu großen Machtfülle eines „EU-Präsidenten“. In Europa war das Echo geteilt. Die EU-Kommission unterstützt die Initiative nur zum Teil. Auch die Reaktionen aus den EU-Mitgliedstaaten waren widersprüchlich. Es hieß, viele Details der Vorschläge seien noch unklar.

Kommissionspräsident Romano Prodi sagte, der Vorstoß enthalte eine Reihe positvier Elemente. Er kritisierte jedoch die Idee, nicht nur an die Spitze der Kommission, sondern auch des Rats der EU-Staats- und Regierungschefs einen gewählten Präsidenten zu stellen. Dies würde nur für mehr Unklarheit sorgen, sagte der Sprecher der Brüsseler Behörde am Donnerstag: „Wir brauchen keine zwei konkurrierenden Machtzentren in einer Stadt.“

Staatspräsident Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder hatten dem europäischen Verfassungskonvent vorgeschlagen, die EU mit einer Doppelspitze zu führen. Neben einem vom Europaparlament gewählten Präsidenten der EU-Kommission soll es einen „EU-Präsidenten“ geben, der für mehrere Jahre von den Staats- und Regierungschefs der EU-Länder gewählt wird. Die Vorschläge werden am kommenden Montag in den europäischen Konvent eingebracht, der bis Mitte des Jahres den Entwurf einer EU-Verfassung erarbeitet.

Der britische Staatssekretär für Europa, Denis MacShane, begrüßte die Vorschläge aus Paris und Berlin. Die Befürchtungen, die Bundesrepublik strebe nach einem übermächtigen Politiker an der Spitze der EU, seien damit vom Tisch, sagte er im Inforadio Berlin- Brandenburg. In Belgien ist der deutsch-französische Vorschlag für einen auf längere Zeit gewählten Präsidenten des Europäischen Rates auf Kritik gestoßen. Es sei zu befürchten, dass dadurch das Gleichgewicht der EU-Institutionen empfindlich gestört würde, erklärte Premierminister Guy Verhofstadt.

In der Debatte über den 40. Jahrestag des Elysée-Vertrags würdigten Redner aller Fraktionen die historische Bedeutung der deutsch-französischen Aussöhnung. Außenminister Fischer sagte, die deutsch-französische Zusammenarbeit sei bislang „der Kern der europäischen Entwicklung“ gewesen und werde „das Schwungrad“ bleiben. Alt-Bundeskanzler Schmidt (SPD) äußerte sich skeptisch zum deutsch-französischen Verhältnis. „Ich glaube, dass der Ausdruck deutsch-französische Freundschaft eine große Übertreibung ist“, sagte er.

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