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Georgien

© dpa

Präsidentenwahl: Kopf-an-Kopf-Rennen in Georgien

Kurz nach der Schließung der ersten Wahllokale in Georgien werden erste Hochrechnungen veröffentlicht - und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Internationale Wahlbeobachter befürchten Manipulation, die Opposition ruft zu Demonstrationen auf.

Zwei Monate nach der Niederschlagung friedlicher Oppositionsproteste hat sich Georgiens prowestlicher Staatschef Michail Saakaschwili (40) vorgezogenen Präsidentenwahlen gestellt. Nach Wahlende veröffentlichte Wählerbefragungen ergaben ein widersprüchliches Bild in der Kaukasusrepublik. Während eine von regierungsnahen georgischen Medien in Auftrag gegebene Umfrage eine absolute Mehrheit für Saakaschwili ergab, ermittelte ein ukrainisches Institut ein Kopf-an-Kopf-Rennen Saakaschwilis mit dem Oppositionspolitiker Lewan Gatschetschiladse (43). Erste offizielle Auszählungsergebnisse werden für Sonntag erwartet. Erhält keiner der Bewerber die absolute Mehrheit, müssen die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen in frühestens zwei Wochen zu einer Stichwahl antreten.

Internationale Wahlbeobachter zeigten sich beunruhigt über die stark unterschiedlichen Ergebnisse der Wählerbefragungen. Das sei ein Hinweis auf Manipulationen, hieß es am Abend in Expertenkreisen in Tiflis. Wenn das offizielle Ergebnis bekanntgegeben werde, drohten Unruhen im Land.

Opposition ruft zu Demonstrationen auf

Inzwischen hat der wichtigste Kandidat der georgischen Opposition, Lewan Gatschetschiladse, hat seine Anhänger für Sonntag zu Straßenprotesten gegen die Präsidentschaftswahl aufgerufen. In einer Stellungnahme im Fernsehsender Rustawi 2 sprach er von Wahlfälschung und reklamierte den Wahlsieg für sich. Er rief alle Georgier auf, am Sonntag um 14 Uhr (Ortszeit) zum Rike-Park in Tiflis zu kommen, "um unseren Sieg zu erhalten und unseren Sieg zu feiern".

Zuvor hatte der Sprecher von Gatschetschiladse, Lewan Berdschenischwili, gesagt, die Opposition werde ihren Protest gegen das Ergebnis nicht auf der Straße austragen, sondern vor Gericht. "Ich sehe keinen Bedarf für emotionale Demonstrationen." Die 52,5 Prozent, mit denen Präsident Saakaschwili laut Nachwahlbefragungen rechnen kann, nannte der Sprecher "nicht glaubwürdig". Gatschetschiladse erhielt den Prognosen zufolge 28,5 Prozent der Stimmen.

Wintereinbruch behindert Abstimmung

Das Bündnis aus neun Oppositionsparteien, das Gatschetschiladse aufgestellt hatte, feierte den parteilosen Politiker bereits als Sieger. Saakaschwilis Gegner hatten während der Wahl massive Manipulationen durch den Staatsapparat angeprangert und für den Fall von Saakaschwilis Sieg Demonstrationen angekündigt.

Der seit 2004 amtierende Präsident galt am Wahltag als Favorit, wenngleich er wegen eines autoritären Führungsstils Sympathien eingebüßt hatte. Saakaschwili hatte bei der Wahl vor vier Jahren noch über 90 Prozent der Stimmen erhalten.

Ein heftiger Wintereinbruch behinderte die Abstimmung. Tausende Georgier konnten ihre Wahllokale nicht erreichen, wie das Fernsehen berichtete. Wahlbeobachter hatten die Abstimmung in der ehemaligen Sowjetrepublik in einer ersten Einschätzung als ordentlich bezeichnet. "Die Wahlen sind nach meinem bisherigen Eindruck gut vorbereitet und entsprechen ziemlich europäischer Normalität", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Manfred Grund, der Deutschen Presse-Agentur dpa in Tiflis.

OSZE will am Sonntag eine offizielle Bewertung abgeben

Insgesamt traten sechs Kandidaten gegen Saakaschwili an. Die meisten Bewerber sprachen sich im Wahlkampf ebenfalls für eine Annäherung an EU und Nato aus. Der parteilose Abgeordnete und Unternehmer Gatschetschiladse ist ein ehemaliger Vertrauter Saakaschwilis, der als ein Wortführer der Opposition die Proteste im November mit organisiert hatte.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) will an diesem Sonntag ihre offizielle Bewertung der Wahl abgeben. Die abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien nahmen nicht an der Präsidentenwahl teil.

Saakaschwili hatte seine Mitbürger zur Einigkeit beschworen. "Heute entscheidet sich die Frage, ob Georgien als Staat bestehenbleibt oder in seine dunkle Vergangenheit zurückfällt", sagte er bei der Stimmabgabe in Tiflis. Saakaschwili steht auch in der Kritik, weil er nach dem Polizeieinsatz vorübergehend den Ausnahmezustand verhängte. Zudem verlegte er die für Herbst geplante Wahl auf den 5. Januar vor.

Unter Saakaschwili haben sich die Beziehungen Georgiens zu Russland drastisch verschlechtert. Hingegen haben die USA dem Land mit seinen rund 4,5 Millionen Einwohnern eine zukünftige Nato-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Heute sollten die Wähler auch in einem nicht bindenden Referendum entscheiden, ob Georgien weiter Kurs auf die Nato nehmen und die Parlamentswahl auf das Frühjahr vorgezogen werden soll. (mist/AFP/dpa)

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