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Wahlhelfer und Wahlhelferinnen zählen in einem Berliner Wahllokal Stimmzettel für die Bundestagswahl 2021 (Symbolfoto).

© Sebastian Gollnow/dpa

Landtagswahlen im neuen Jahr: Vier Tests erwarten die Ampelparteien in 2023

Berlin, Bremen, Hessen und Bayern – hier wird 2023 gewählt. Schadet das schlechte Image der Ampel der SPD, den Grünen und der FDP in den Ländern? Eine Übersicht.

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Vier Landtagswahlen stehen im Jahr 2023 an – und damit die Frage, welche Bundespartei sich bestätigt sehen kann oder abgestraft, und ob die Ampelkoalition im Bund beschädigt oder gestärkt wird durch die Wählerinnen und Wähler in Berlin, Bremen, Hessen und Bayern. Ändern sich gar die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat?

„Bei Landtagswahlen geben Landesthemen weniger den Ausschlag als Persönlichkeiten. Populäre Spitzenkandidatinnen oder – Kandidaten können Wahlen für sich entscheiden“, sagt der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Universität Trier.

Dieser Trend habe sich bei Landtagswahlen in den vergangenen Jahren noch verstärkt. Jun verweist auf den Sieg der SPD-Politikerin Anke Rehlinger im Saarland im Frühjahr 2022 oder den Christdemokraten Daniel Günther, der seiner Regierung in Schleswig-Holstein kurz darauf verteidigt hat. „Beide haben für ihre Partei ein Ergebnis von mehr als 40 Prozent erzielt, Werte, von denen CDU und SPD im Bund derzeit nur träumen können“, meint der Wissenschaftler.

Trotzdem spielten auch bundespolitische Erwägungen bei Landtagswahlen eine Rolle, sagt Jun: „Stabilisierend oder unterstützend wirkt das schlechte Ansehen der Ampelkoalition im Bund deshalb in den Ländern derzeit für SPD und FDP nicht.“ Die Grünen-Wähler seien hingegen „recht zufrieden“.

Den schwersten Stand wird nach Juns Einschätzung bei den vier Wahlen die FDP haben. „Ihre Wähler sind sogar unzufriedener mit der Ampelkoalition als die der CDU. Sie fühlen sich in der Ampel nicht wohl, weil sie zu wenig FDP in ihr erkennen“, meint Jun. Die FDP finde zu wenig statt, könne ihren Gestaltungsanspruch nicht deutlich machen.

Die Wähler der FDP sind sogar unzufriedener mit der Ampelkoalition als die der CDU.

Uwe Jun, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier

„Sollte sich der negative Trend der Liberalen bei den Wahlen 2023 fortsetzen, wird dies die Ampelkoalition im Bund erschüttern“, sagt der Politikwissenschaftler voraus. Die FDP erinnere sich gut daran, wie sie 2013 aus dem Bundestag geflogen sei. „Sie wird ihre parlamentarische Existenz nicht ein weiteres Mal für eine Regierungsbeteiligung aufs Spiel setzen wollen“, so der Wissenschaftler.


Berlin

Das Land Berlin macht am 12. Februar mit der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl vom 26. September 2021 den Anfang – sofern das auch von Abgeordneten der Koalition zum Einspruch aufgerufene Bundesverfassungsgericht die neue Wahl nicht noch absagt.

Nach eineinhalb Jahren rot-grün-roter Koalition unter der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sind viele Wählerinnen und Wähler enttäuscht von diesem Senat. Nur 30 Prozent der Befragten waren laut einer Umfrage im November mit seiner Arbeit zufrieden.

Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, auf einem Wahlplakat vor dem Roten Rathaus und dem Fernsehturm (Archivbild von 2019)

© dpa/Jörg Carstensen

Dazu kommt: Mit ihrem pragmatischen Kurs, der sich von dem der Grünen abhob, war Giffey vor der letzten Wahl mit der Aussicht auf ein SPD-geführtes Bündnis mit Grünen und FDP gestartet. Ihre Partei zwang sie aber wieder in das alte rot-grün-rote Bündnis.

In einer Civey-Umfage im Auftrag des Tagesspiegels Mitte Dezember wurde die CDU mit Spitzenkandidat Kai Wegner mit 25 Prozent stärkste Kraft. Sie wäre damit der Wahlsieger. Sie würden die mit 21 Prozent der Stimmen zweitplatzierten Grünen und die bei 18 Prozent liegende SPD vergleichsweise deutlich abhängen. Auf Rang vier rangiert die Linkspartei mit 13 Prozent der Stimmen.

Die AfD lag bei acht, die FDP bei fünf Prozent der Stimmen.

25
Prozent stimmten bei einer Civey-Umfrage im Dezember in Berlin für die CDU.

Für die Christdemokraten, die bereits Mitte Oktober als stärkste der sechs im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien gewertet worden war, war es seit der Wahl am 26. September 2021 der größte gemessene Vorsprung auf die Konkurrenz. Zuletzt hatten die von Spitzenkandidatin Bettina Jarasch in den Wahlkampf geführten Grünen die sogenannte Sonntagsfrage stets für sich entschieden. Seit Ende November fielen wiederum deren Werte ebenso stark, wie die der CDU stiegen.

Die Werte der SPD unter Führung der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey stagnierten, während die der Linkspartei zuletzt leicht stiegen und die der AfD leicht sanken. Die FDP lag zuletzt konstant nur knapp über oder exakt auf der Fünf-Prozent-Hürde und muss dementsprechend um den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus bangen.

Sollte Kai Wegner für die CDU den Wahlsieg holen, stünde er allerdings vor dem Problem, Koalitionspartner zu finden. Eine Mehrheit unter Führung der Christdemokraten ließe sich nur gemeinsam mit den Grünen oder in der sogenannten Deutschlandkoalition mit SPD und FDP realisieren.

Hinzu kommt: Trotz der Spitzenposition der CDU verfügt das seit 2016 regierende Bündnis aus SPD, Grünen und Linke über eine komfortable Mehrheit. Zusammen kommen die drei auf 52 Prozent der Stimmen und würden damit – auch wegen des mit zehn Prozent der Stimmen vergleichsweise großen Anteils der sonstigen Parteien – eine deutliche Mehrheit im Abgeordnetenhaus stellen.


Bremen

Eine Wahl in Bremen wird im politischen Berlin gern als Kommunalwahl in einer mittleren deutschen Großstadt abgetan. Aber die Hansestadt ist ein Bundesland. Umstritten ist das seit jeher, aber die Bremer Politik hat den Status, einer von drei Stadtstaaten zu sein, stets mit Geschick und Anpassungsbereitschaft zu wahren gewusst. Immerhin hat Bremen drei Stimmen im Bundesrat – die manchmal gebraucht werden, wenn’s in der Länderkammer eng hergeht.

Es wird also mindestens eine wichtige Kommunalwahl sein, die am 14. Mai über die Bühne gehen soll. Auch hier wird es wieder darum gehen, ob eine seit 1946 währende Konstante der Bremer Politik möglicherweise endet. Seit 76 Jahren nämlich hat der Stadtstaat einen sozialdemokratischen Bürgermeister gehabt, beginnend mit dem legendären Wilhelm Kaisen, der die Geschicke der Stadt bis 1965 lenkte.

Der achte sozialdemokratische Regierungschef in ununterbrochener Linie heißt Andreas Bovenschulte. Der 57-Jährige, ein pragmatischer Parteilinker, hat an der Spitze seines Senats nicht viel bundespolitisches Aufsehen erregt – was angesichts der Tatsache, dass in Bremen seit 2019 eine Regierungskoalition arbeitet, der neben der SPD und den Grünen auch die Linke angehört, bemerkenswert ist.

Führt einen Senat in Bremen, der kaum bundespolitische Schlagzeilen produziert: Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD)

© dpa/Hauke-Christian Dittrich

Es war die erste Regierungsbeteiligung der Linken in einem West-Land. Wie stark die Bremer Linken nun vom Abwärtstrend ihrer Partei in Mitleidenschaft gezogen werden, wird eine der entscheidenden Fragen der Wahl sein. Aktuelle Umfragen gibt es nicht, eine vom Mai 2022 sah die SPD deutlich vor der CDU und den Grünen. Es könnte demnach für Rot-Grün reichen.

Allerdings sind die Bremer Sozialdemokraten erfahren in vielen Konstellationen – sie haben auch schon mit der CDU und der FDP regiert. Die letzte Alleinregierung unter Klaus Wedemeier liegt allerdings lange zurück. Sie endete 1991. Dennoch spricht einiges dafür, dass Bovenschulte sein eigener Nachfolger wird, mit wessen Unterstützung auch immer, und die SPD-Tradition in Bremen fortsetzt.


Hessen

In Hessen geht es im Herbst um die Frage, ob die CDU nach dann 24 Jahren an der Spitze der Regierung womöglich von der SPD oder von ihrem jetzigen Koalitionspartner, den Grünen, abgelöst wird. Bemerkenswert ist, dass nicht nur Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) Ende Mai vergangenen Jahres aus der Politik ausschied und sein Amt an seinen Parteifreund Boris Rhein übergab.

Nicht weniger als vier Landesminister aus dem elfköpfigen Kabinett haben angekündigt, ebenfalls Ende der Legislaturperiode aus dem Amt zu scheiden, nämlich Lucia Puttrich (CDU), Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, die Umweltministerin Priska Hinz (Grüne), Innenminister Peter Beuth (CDU) sowie der Sozialminister Kai Klose (Grüne).

Übernahm das Amt erst am 1. August von Volker Bouffier: Hessens Ministerpräsident Boris Rhein

© dpa/Sebastian Gollnow

Hinz und Beuth gelten als wichtige Säulen der schwarz-grünen Koalition. Kein Wunder, dass SPD-Fraktionschef Günter Rudolph schon Auflösungserscheinungen des Kabinetts ausmachen will. „Schwarz-Grün zerfällt in seine Einzelteile“, höhnte der Oppositionsführer.

Mitte Oktober bescheinigte eine Umfrage von Infratest dimap der CDU (27 Prozent) einen Vorsprung vor den gleichauf liegenden Parteien SPD und Grüne (beide 22), die FDP kam auf sechs, die Linke auf drei und die AfD auf zwölf Prozent.

Doch es sieht ganz danach aus, dass die SPD sich Verstärkung aus dem Bund holen wird und Anfang Februar Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die aus Hessen stammt, zur Spitzenkandidatin wählen wird.

Schwarz-Grün zerfällt in seine Einzelteile.

Günter Rudolph, SPD-Fraktionschef im hessischen Landtag

Der Landesvorstand hat schon Schwerpunkte für Wahlkampfthemen beschlossen, in denen die Innenpolitik eine wichtige Rolle spielt und die der Bundesministerin damit auf den Leib geschneidert sind. Die soll dann mit Prominenz und Kompetenz punkten und damit den Amtsbonus des erst seit einem halben Jahr amtierenden Ministerpräsidenten Rhein egalisieren.

Damit dürfte Faeser sich allerdings entscheiden müssen: Verleiht sie ihrer Kandidatur Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit, indem sie verspricht, auch im Fall einer Niederlage als Oppositionsführerin in den Landtag in Wiesbaden zurückkehren, wo sie bis zum Wechsel nach Berlin SPD-Fraktionschefin war? Dann würde sie ihr Ministeramt in Berlin womöglich aufgeben müssen.


Bayern

Für Markus Söder geht es am 8. Oktober um viel. Zwar hat er die normalerweise größte politische Herausforderung eines Ministerpräsidenten schon hinter sich – das erfolgreiche Bestehen der ersten Landtagswahl nämlich.

Der CSU-Chef kam im März 2018 ein halbes Jahr vor der Wahl ins Amt, nach einem langen Machtkampf mit seinem Vorgänger Horst Seehofer. Aber Söder stolperte bei der Landtagswahl im Oktober 2018. Mit 37,2 Prozent der Stimmen fuhr er das schwächste CSU-Ergebnis seit 1950 ein. Sein vorrangiges Ziel im kommenden Herbst muss sein, das nicht nochmals zu unterbieten. Ansonsten ist es wohl aus mit der großen Ambition, die der bald 55-jährige Franke hegt – die Kanzlerkandidatur der Union.

Wie stark wird die CSU von Ministerpräsident Markus Söder – hier mit seinem Koalitionspartner Hubert Aiwanger von den Freien Wählern – abschneiden?

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Schon 2021 machte er deutlich, dass er sich im Vergleich mit Armin Laschet für den besseren Kandidaten hielt. Das herablassend-provokante Auftreten des bayerischen Ministerpräsidenten hat dem CDU-Kandidaten zweifellos geschadet. Friedrich Merz hingegen wurde von Söder bisher kaum angegriffen.

Doch Söder wird wieder aus der Deckung kommen, sollte nicht er selbst als chancenreicher Herausforderer von Olaf Scholz zur Bundestagswahl 2025 wahrgenommen werden.

Eine Voraussetzung dafür ist aber ein klarer Sieg bei der bayerischen Landtagswahl – und am besten eine Alleinregierung der CSU. Bisher muss Söder mit den Freien Wählern koalieren und deren Chef Hubert Aiwanger als Vize-Ministerpräsident ertragen, eine eher nervige denn herausfordernde Aufgabe für den CSU-Chef.

Aus einem Umfragetief zu Beginn des Jahres scheint sich die CSU wieder ein wenig herausgearbeitet zu haben – zuletzt lag sie in Umfragen vom Oktober bei etwa 40 Prozent. Das ist kaum mehr als 2018 – und genügt nicht für eine Alleinregierung.

Hinweis: In einer früheren Fassung war es im Teil über die Berliner Wahl zu einer Verwechslung von Umfragezahlen gekommen. Wir haben dies korrigiert.

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