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Wahlen in Serbien: Ratlose Demokraten

Einen Tag nach der Parlamentswahl in Serbien haben Politiker der EU und der USA den Sieg der Demokraten gefeiert. Doch die sind angesichts des Ergebnisses ratlos, wie eine Regierung zu Stande kommen könnte.

Belgrad - Die demokratischen Parteien sind traditionell tief zerstritten und machen sich gegenseitig die Ministerposten und das Amt des Regierungschefs streitig. Als Ausweg käme eine Minderheitsregierung des amtierenden Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica in Frage, die von den extrem nationalistischen Radikalen gebilligt würde, schrieben die Zeitungen.

Dass in Serbien das demokratische Lager einen großen Sieg errungen hat, haben die Wahlforscher inzwischen in ein anderes Licht gerückt. "Die Zahlen zeigen, dass sich in den letzten sechs Jahren nichts geändert hat", rechnet Zoran Lucic von der Wahlforschungsgruppe Cesid vor. Die Nationalisten hätten auch bei dieser Wahl wieder zusammen 1,4 Millionen, der so genannte demokratische Block 2,4 Millionen Stimmen errungen. "Das ist ein wenig enttäuschend", sagt der Experte.

Gewinner ist das Tadic-Lager

Allerdings haben sich zwischen den demokratischen Parteien die Kräfte deutlich verschoben. Klarer Gewinner sind die Demokraten (DS) von Staatschef Boris Tadic, die mit 65 Mandaten ihren Anteil gegenüber der letzten Wahl vor drei Jahren nahezu verdoppeln konnten. Auch der DS-Abspaltung, den Liberalen (LDP), gelang erstmals mit 15 Abgeordneten der Sprung ins Parlament. LDP-Chef Cedomir Jovanovic sieht sich als Erbe des vor vier Jahren ermordeten serbischen Regierungschef Zoran Djindjic, dessen enger Mitarbeiter er war.

Auf der anderen Seite haben innerhalb des demokratischen Spektrums die bisherigen Regierungsparteien deutlich verloren. Kostunicas DSS erreichte samt Partner nur 47 Mandate. Vor drei Jahren waren es noch 62 gewesen. Die kleinere Regierungspartei G17 verlor von 34 Sitzen nicht weniger als 15. Die mitregierende SPO von Außenminister Vuk Draskovic scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde.

Streit um den Posten des Ministerpräsidenten

Das demokratische Lager machte bereits deutlich, dass wegen der tiefen Abneigungen untereinander nur schwer ein Bündnis zu Stande kommen kann. Sowohl die DS als auch die DSS beharren auf dem Amt des Regierungschefs. Die LDP will auf keinen Fall mit Kostunicas DSS, und für die Partei G17 ist der designierte Ministerpräsident der DS, Bozidar Djelic, ein rotes Tuch. So lässt sich die Forderung des Auslandes, jetzt schnell eine Regierung zu bilden, nur schwer erfüllen.

Aber auch das nationalistische Lager, neben den Radikalen noch die Sozialisten (SPS), sind mit 97 Mandaten weit von einer tragfähigen Mehrheit im 250-köpfigen Parlament entfernt. Sollte weder eine demokratische Mehrheitsregierung noch ein Minderheitskabinett unter Kostunica gemeinsam mit den Radikalen möglich sein, kämen im Mai Neuwahlen an die Reihe. Doch alle Meinungsforscher warnen, dass der demokratische Block dann vom Bürger abgestraft werden könnte. (Von Thomas Brey, dpa)

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