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Im Einsatz für die Gesellschaft. Ein Freiwilliger hängt Wahlplakate auf.

© REUTERS/Matthias Rietschel

Strafrecht gegen Angriffe auf Politiker : Ein starkes Symbol hat auch eine Kraft

Einschüchtern, drohen, zuschlagen: Attacken auf Politiker werden häufiger und beschädigen das demokratische Miteinander. Es ist Zeit, deren Funktion wieder aufzuwerten.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Es hat sich etwas geändert im politischen Leben, und die Gründe dafür mögen vielfältig sein. Das ändert nichts daran, dass die Folgen mindestens für Betroffene dramatisch sind. Ausfälle gegen Amts- und Mandatsträger werden offenbar häufiger und möglicherweise auch aggressiver, im Bund, den Ländern, den Kommunen. Wer dabei nur zusieht, billigt das Geschehen.

Der „Schutz“ des Strafrechts ist ein leeres Versprechen

Es ist daher nachvollziehbar, wenn der Ruf nach Strafe laut wird. Natürlich gibt es die längst. Wer Politiker angreift, macht sich genauso strafbar, wie wenn er andere Menschen angreift. Polizei und Staatsanwaltschaften tun fast immer, was sie können, aber siehe da: Täterinnen und Täter machen sich wenig daraus.

Das wird wohl auch so bleiben, selbst wenn sie härter bestraft würden. Ihr Handeln bewegt sich regelmäßig auf der Ebene von Kleinkriminalität. Da droht nichts, was man fürchten müsste. Die Rede vom „Schutz“ des Strafrechts mündet hier, wie oft, in einem leeren Versprechen.

Dennoch sollten sich Bundesregierung und Bundestag mit den Vorschlägen befassen, die aus den Ländern kommen. Sachsen etwa möchte Einschüchterung gegen Politiker in deren privatem Umfeld unter Strafe stellen, aus Bayern kommt der Vorstoß, Taten schärfer zu strafen, die Opfer bei ihrem gemeinnützigen Handeln schädigen. Schützen oder auch nur helfen wird vermutlich wenig davon.

Aber darum geht es nicht. Die Tätlichkeiten gegen Politiker haben etwas mit der allgemeinen Geringschätzung zu tun, mit der sie in der Öffentlichkeit allzu oft behandelt werden, und in extremeren Kreisen mit Gelüsten nach Überwindung des „Systems“, nach Abschaffung der Demokratie.

Es kann und darf durchaus Aufgabe des Strafrechts sein, solchen Tendenzen entgegenzutreten. Natürlich hätte das vor allem symbolischen Charakter. Aber Demokratie braucht Symbole, und dazu gehört auch ein gemeinsames Einstehen für die Handlungsfähigkeit derer, die sie als Repräsentanten tragen und wesentlich gestalten.

Eine solche Maßnahme ist noch kein Mittel der Kulturveränderung, aber vielleicht ein kleiner Beitrag dazu. Sie würde auch den Blick darauf lenken, dass es Amts- und Mandatsträgerinnen aller Parteien sein müssen, denen sie zugutekommt. Auch der AfD, deren Vertreter ebenfalls wiederkehrend Opfer von Hass- und Gewaltattacken werden.

Wer Sittenverfall und Verrohung beklagt, könnte bei der Suche nach Ursachen deshalb auch im Lager der Anständigen fündig werden. Wichtiger als alles andere scheint, sich auch in krisenhaften Zeiten um eine gemäßigte Sprache zu bemühen, die politische Gegner als solche respektiert und nicht pauschal zum Feind erklärt. Die Bereitschaft, hier mit gutem Beispiel voranzugehen, könnte ausgeprägter sein.

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