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Politik: Teilzeitjob als Wiedergutmachung

Murat Kurnaz fasst in Bremen langsam wieder Fuß. Aber er fühlt sich von Politikern und Agenten verfolgt

Der Empfang für den verlorenen Sohn war freundlich: Als Murat Kurnaz im August 2006 nach viereinhalb Jahren aus dem US-Lager Guantanamo Bay in seine Heimatstadt Bremen zurückkehrte, bekam er Besuch von Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) – „eine herzliche Geste des Willkommens“ des Senats. Bald bekam Kurnaz auch offizielle Post: Die „bremer arbeit gmbh“ (bag) bot ihm ein Gespräch über seine berufliche Zukunft an. Denn der in Bremen geborene und aufgewachsene Türke hatte 2001 für seine Reise nach Pakistan, die schließlich im Folterlager endete, eine Lehre als Schiffbauer abgebrochen und braucht nun eine neue Perspektive.

Doch der Heimkehrer antwortete nicht auf das Beratungsangebot, wie bag-Geschäftsführerin Katja Barloschky erzählt. Sie kann das nachvollziehen – schließlich sollte er erst mal richtig ankommen in Bremen. Ein halbes Jahr später ist der 25-Jährige offenbar angekommen: Er hat eine Teilzeitstelle in der Hochhaussiedlung Bremen-Tenever angetreten. Die verdankt er dem umtriebigen Bruder der bag-Chefin. Joachim Barloschky leitet eine Projektgruppe, die die multikulturelle Trabantenstadt menschenfreundlicher gestalten und die Bewohner an der Sanierung beteiligen will. Kurnaz erstellt eine Dokumentation über die „Quartiersentwicklungsprozesse“ in türkischer Sprache fürs Internet. Finanziert wird das Projekt für sechs Monate mit 8400 Euro vom Bremer Sozialressort. Kurnaz selbst verdient dabei „weniger als ein Hartz-IV- Empfänger“, erzählt Katja Barloschky. „Aber immerhin ist er jetzt sozialversicherungspflichtig beschäftigt.“ Ein Stück Wiedergutmachung also für den streng gläubigen Muslim, der jahrelang ohne Anklage im rechtsfreien Raum schmoren musste, weil die Bremer und die deutsche Regierung ihn für einen islamistischen „Gefährder“ hielten. Kurnaz sei „nicht schon deswegen harmlos, weil die Staatsanwaltschaft ihr Verfahren gegen ihn eingestellt hat“, meint ein Sprecher des Bremer Innenressorts auch jetzt noch.

Kurnaz selbst fühlt sich inzwischen verfolgt: „Die wollen mich fertigmachen, damit die deutschen Politiker, die mich in Guantanamo sitzen ließen, ihre Macht nicht verlieren“, klagte er gegenüber dem „stern“ – vermutlich gegen ein gutes Honorar. Denn von seinem Job könnte er sich den gebrauchten Mazda nicht leisten, mit dem er jetzt von der elterlichen Wohnung zu seiner neuen Stelle fahren kann.

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