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Politik: Wedeln mit der Kürzungsliste

Zum Sparen zwingen – der Finanzminister darf das.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Wenn zum Jahresanfang die Verhandlungen für den nächsten Bundeshaushalt in greifbare Nähe rücken, haben Fachbegriffe aus der mittelalterlichen Folterkammer Konjunktur. Von Beichtstuhlverfahren ist dann die Rede, in verschärften Fällen kommt schon mal die Streckbank ins Spiel. Die makabre Metaphorik soll verdeutlichen, welchen Nachdrucks es bisweilen bedarf, den von jedem Minister an den Sonntagen beschworenen Sparwillen in die alltägliche Praxis umzusetzen. In diesem Jahr fängt die Folter schon vor dem ersten Verhör an – durch das Vorzeigen der Instrumente.

Nun ist der Spardruck auf den Haushaltsentwurf 2014 auch größer als üblich. Schließlich hat sich die Koalition politisch darauf festgelegt, dass sie schon im nächsten Jahr einen Etat ohne neue Schulden stemmen will. Als Wahlkampfslogan liest sich das gut; es bedeutet allerdings, dass der Finanzminister rund sechs Milliarden Euro einsparen muss.

Genauer gesagt: Die Ministerien müssen es. Denn seit 2012 praktiziert die Regierung ein neues Haushaltsverfahren, das Wolfgang Schäuble eine Menge Ärger erspart. Meldeten früher die Minister ihre Wünsche an und der Kassenchef musste sie mühsam herunterhandeln, kann Schäuble jetzt Zielzahlen vorgeben und den Ministerien die undankbare Aufgabe überlassen, ihre Etats nach Einsparpotenzialen zu durchforsten. Ins Finanzministerium ist für nächsten Donnerstag eine Runde der Staatssekretäre geladen, die diese Sparvorgaben vorbereiten soll.

Im Vorfeld der Runde nun geistern allerlei Meldungen umher, die dezente Folterkammeratmosphäre verbreiten. Die erste Story dieser Art – Schäubles Haus wolle die Denunziation hoffähig machen, indem jedes Ministerium ermuntert werde, auf überflüssige Ausgaben im Nachbarressort hinzuweisen – dementierte das Finanzministerium noch klar als „Quatsch“. Bei der zweiten Geschichte, ebenfalls von der „Süddeutschen Zeitung“ lanciert, fallen die Dementis nicht ganz so knallhart aus.

Im Kern besagt diese Story, dass Schäuble sich notfalls die sechs Milliarden dadurch beschaffen könnte, dass er jedem Haus die nicht gebundenen Mittel abzieht. Das träfe vor allem das Verteidigungs- und das Verkehrsressort. Anders als etwa im größten, dem Sozialetat, sind die Ausgaben beider Häuser nicht quasi komplett durch Gesetze oder Verträge festgelegt, sondern lassen Luft, etwa für kurzfristige Einsätze der Bundeswehr.

Haushalterisch würde sich die Kürzung rechnen – ein Sonderopfer der Minister Thomas de Maizière (CDU) und Peter Ramsauer (CSU) würde mit 3,3 Milliarden Euro schon mehr als die Hälfte der Sparsumme decken. Politisch wäre es indes absurd. Die Bundeswehr ist durch den jüngsten Umbau gestresst genug. Und an Ramsauer hat die gleiche Koalitionsrunde, die die beschleunigte Schuldenbremse beschloss, gerade erst 750 Millionen Euro zusätzlich ausgegeben.

Richtig ist an alledem: Es gibt unter den Haushältern natürlich Listen, auf denen die nicht gebundenen Mittel eines jeden Ministeriums vermerkt sind. Und natürlich könnte Schäuble, sollten die Ministerien so gar keine Sparfantasie entfalten, drohend mit der Liste wedeln. Wahrscheinlich ist das nicht. Schon gar nicht, nachdem wer auch immer das Instrument öffentlich präsentiert hat. Das stumpft nämlich ab. Robert Birnbaum

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