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Auch das Wasser steigt. Die Küstenländer investieren bereits in neue Deiche.

© picture alliance / dpa

Weltklimabericht: Wenn die Nordsee zum Mittelmeer wird

Der Weltklimarat hat seinen Sachstandsbericht veröffentlicht. Er enthält auch Prognosen für Deutschland. Besonders bedrohlich wird es für die Küstenregionen.

Der Klimawandel hinterlässt auch in Deutschland deutliche Spuren. Zum ersten Mal in seiner 25-jährigen Geschichte legt der Weltklimarat (IPCC) mit seinem fünften Sachstandsbericht auch regionale Informationen für 18 Weltregionen vor. Allerdings sind die Raster noch ziemlich groß. Deutschland ist beispielsweise Teil einer Region mit Nord-, Mittel- und Osteuropa. Der Atlas ist Teil des Gesamtberichts, den der IPCC am Montag öffentlich gemacht hat.
In Deutschland gibt es schon länger Versuche, regionale Klimaprojektionen zu erarbeiten, ein Beispiel dafür ist das Klimaservice-Portal „Klimafolgen-online“. Das Forschungsministerium will in den kommenden Jahren ein flächendeckendes Angebot solcher Informationen für Deutschland fördern, sagte Wilfried Kraus vom BMBF am Montag in Berlin. Schließlich sollen die Szenarien regionalen und lokalen Entscheidungsträgern die notwendigen Informationen für ihre langfristigen Entscheidungen bieten.
In Deutschland stieg die Durchschnittstemperatur zwischen 1901 und 2000 um beinahe 0,9 Grad Celsius. Die Zahl der kalten Tage mit Schneefällen ist zurückgegangen. Die Zahl der heißen Tage und vor allem Nächte hat zugenommen. In den Obstanbaugebieten vom Alten Land in Norddeutschland bis zum Bodensee in Süddeutschland ist die Baumblüte im Vergleich zu den 1970er Jahren um zwei bis drei Wochen im Kalender nach vorn gerutscht. Dabei wird es aller Voraussicht nach nicht bleiben. Das Umweltbundesamt rechnet für die Jahre 2071 bis 2100 im Vergleich zu den Jahren 1961 bis 1990 mit 1,5 bis 3,7 Grad höheren Temperaturen, die jedoch regional und saisonal unterschiedlich ausfallen dürften. Im Sommer erwarten die deutschen Klimaforscher rund 30 Prozent weniger Regen. Der Meeresspiegel an der deutschen Bucht ist nach Angaben des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltvorsorge (WBGU) zwischen 1840 und heute im Durchschnitt um 40 Zentimeter gestiegen – und er wird weiter steigen. Der IPCC erwartet global bis 2100 einen möglichen Meeresspiegelanstieg um 29 bis 82 Zentimeter im Vergleich zum vorindustriellen Niveau.
Die deutschen Küstenländer bereiten sich schon intensiv auf den steigenden Meeresspiegel vor. Die Nachrichtenagentur dpa hat eine Umfrage in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen gemacht, die zeigt, dass alle drei Küstenländer Millionensummen für eine Verstärkung ihrer Deiche eingeplant haben. Demnach gibt Schleswig-Holstein in diesem Jahr 66,8 Millionen Euro für den Küstenschutz aus. Mecklenburg-Vorpommern hat jährlich 18,5 Millionen Euro eingeplant, um die etwa 1000 Kilometer lange Ostseeküste zu schützen. Bis 2020 werde das Land 120 Millionen Euro für den Küstenschutz ausgeben, sagte Umweltminister Till Backhaus (SPD). Niedersachsen wiederum hat 72 Millionen Euro für den Küstenschutz im aktuellen Haushalt eingeplant.
Der Meeresspiegelanstieg ist jedoch nicht die einzige spürbare Folge des Klimawandels an Nord- und Ostsee. Da rund 90 Prozent der zusätzlichen Energie durch den Treibhauseffekt von den Ozeanen aufgenommen worden sind und rund 30 Prozent des durch menschliches Handeln verursachten Kohlendioxids, verändern sich die Nahrungsnetze im Meer ziemlich schnell. Ein Beispiel aus der Nordsee vor Schottland ist der Rückgang der Sandaale, der Lieblingsspeise von Papageientauchern. Immer öfter fangen die Vögel Seenadeln, eine Verwandte des Seepferdchens, die im zunehmend wärmeren Wasser immer häufiger vorkommt. Diese Nahrung können sie allerdings viel schlechter verdauen, sie werden nicht mehr satt.

Das CO2 führt zudem zu einer Versauerung der Meere, deren ph-Wert, mit dem der Säuregehalt einer Flüssigkeit gemessen werden kann, sinkt. Das hat zum einen zur Folge, dass sich Kleinstlebewesen, die Nahrungsgrundlage für alle anderen Meeresorganismen, viel langsamer vermehren können, stellt die Umweltstiftung WWF fest. Zum anderen fehlt es an Kalk für Organismen, die zum Wachsen darauf angewiesen sind. Die Nordsee hat sich seit 1980 von einem kalten Meer zu einem gemäßigt warmen Meer entwickelt. Immer mehr Arten, die es früher nur im Mittelmeer gab, sind inzwischen auch in der Nordsee heimisch. Das hat die Biologische Anstalt Helgoland anhand von mehreren Beispielen in den vergangenen Jahren dokumentiert.

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