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Russische Rekruten steigen in einen Bus in der Nähe eines militärischen Rekrutierungszentrums. (Symbolbild)

© Foto: dpa/Uncredited

Tödliche Schüsse bei Rekrutenausbildung: Unter Putins zwangseingezogenen Migranten wächst offenbar der Zorn

In einer Ausbildungsstätte der russischen Armee töten zwei Männer aus Tadschikistan neun Menschen. Experten werten das als möglichen Widerstand gegen Zwangsrekrutierungen.

Bei Vorbereitungen von Rekruten für den Krieg in der Ukraine wurden am 15. Oktober in einer militärischen Ausbildungsstätte der russischen Armee nahe der Stadt Belgorod elf Menschen getötet. Zwei Männer hatten das Feuer eröffnet und neun Menschen erschossen sowie 15 weitere verletzt. Die beiden Schützen sollen ebenfalls getötet worden sein. Die russischen Behörden stuften den Vorfall als Terroranschlag ein.

Der Fall lässt aufhorchen wegen der Umstände, unter denen die beiden Männer überhaupt in das Ausbildungslager gekommen sind. Denn bei den mutmaßlichen Schützen handelte es sich um Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetrepublik Tadschikistan, die zum Arbeiten nach Russland gekommen waren, berichtete die „Washington Post”.  

Aktivisten und Verwandte vermuten deshalb, dass die Männer zwangsrekrutiert wurden. „Wie er in Belgorod gelandet ist, wissen wir nicht“, sagte demnach der Bruder eines der Männer einem tadschikischen Radiosender. „Mein Bruder war kein Terrorist, und er hatte keine solchen Gedanken. Er [war] ein gewöhnlicher Einwanderer, der arbeiten und sich ein Leben aufbauen wollte.“ Der Begleiter seines Bruders sei zudem kein russischer Staatsbürger gewesen und hätte daher nicht rekrutiert werden dürfen für die russische Armee.

Etliche Berichte von gewalttätigen Rekrutierungsversuchen

Valentina Chupik, Leiterin einer gemeinnützigen Organisation, die zentralasiatischen Migranten in Russland hilft, berichtete der „Washington Post”, sie habe mindestens 70 Hilfegesuche von Migranten erhalten. Viele berichteten von Gewalttaten oder rechtswidrigen Methoden seitens der russischen Armee bei der Rekrutierung.

Ein 35-jähriger Lebensmittellieferant aus Usbekistan, der seit 15 Jahren in Russland lebt, sagte etwa, dass die Beamten bei seinem Besuch im Migrantenzentrum seinen Pass kontrollierten, ihm Fingerabdrücke abnahmen und ihm ohne weitere Erklärung mitteilten, dass er soeben einen Dienstvertrag unterzeichnet habe.

Einige Migranten sollen sich freiwillig gemeldet haben zum russischen Militär, weil ihnen Geld oder die Staatsbürgerschaft versprochen worden sei. Anderen wiederum sei jedoch gedroht worden, man würde ihnen die Aufenthaltsgenehmigung entziehen, wenn sie sich weigerten, sich zu melden.

Einem Bericht des „Institute for the Study of War” zufolge führen die Zwangsrekrutierungen von Angehörigen ethnischer Minderheiten zu großer Unzufriedenheit. Sie wollten keinen Krieg führen, der „von den Zielen des russischen Imperiums bestimmt und vom russisch-orthodoxen Nationalismus geprägt ist“.

Dem Bericht nach sorgt diese Entfremdung für Unzufriedenheit, die wiederum zu Widerstand und anschließendem hartem Durchgreifen in den Enklaven der Minderheiten führt. „Die Schießerei in Belgorod ist wahrscheinlich eine Manifestation genau dieser innenpolitischen Auswirkungen.“

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