zum Hauptinhalt
Julia Fischer, eine international gefeierte Violinvirtuosin, führte die Zuhörer am Samstag ins klassische Italien und ins idyllische Böhmen.

© Uwe Arens

Spannung und Entspannung: Auf musikalischen Reisen mit Potsdams Kammerorchestern

Das Neue Kammerorchester und die Kammerakademie spielten am Wochenende die Final-Konzerte der Saison. Die Zuhörer kamen dabei in Urlaubsstimmung.

Landschaften, Weite und Wärme, Frühling und Sommer, Urlaubsstimmung. Beim Hören der zwei kurzen behaglichen Stücke „Als er den ersten Kuckuck im Frühling hörte“ (1912) sowie „Sommernacht auf dem Fluss“ (1911) des englischen Komponisten Frederic Delius und vor allem der Ballettsuite „Appalachian spring“ des US-Amerikaners Aaron Copland entstanden Bilder, die viel mit Entspannung zu tun haben. Das Neue Kammerorchester Potsdam brachte unter der Leitung seines Dirigenten Ud Joffe am Freitagabend in seinem Saison-Finalkonzert beschwingte Freude in die eher von Ernst bestimmte neugotische Erlöserkirche.

Copland, der 1990 mit 90 Jahren starb, zählt zu den bedeutenden US-amerikanischen Komponisten, insbesondere in seiner Suche nach einem originären Stil einer unabhängigen amerikanischen Musik. Sein großer Durchbruch gelang ihm mit „Appalachian spring“ (Appalachische Quelle), das er für das renommierte Ballettensemble der legendären Choreografin Martha Graham schrieb. Joffe und das Neue Kammerorchester schwelgten regelrecht in dieser süffigen Musik und gaben ihr eine stimmige Atmosphäre. Spielfreude war ebenfalls dabei, rhythmische Lebendigkeit und vor allem exzellent musizierende Bläsersolisten.

Die Sinfonietta (1947) des Franzosen Francis Poulenc erklang nach der Pause. Ud Joffe hatte ein gutes Händchen für das Werk, für die Lebendigkeit in den unterhaltsamen Melodien und den federnden Rhythmen. So hatte der Kopfsatz filmmusikalisch noch dick aufgetragene Farben, das Andante cantabile einfühlsam wiegende Melodik und der Schlusssatz war voller spritzig-vitaler Frische.

Ein Besuch in Italien, Böhmen – und Russland

Im Nikolaisaal entführte das Streicherensemble der Kammerakademie Potsdam ihre Gäste am Samstag ins klassische Italien sowie ins idyllische Böhmen. Urlaubslandschaften mit Kultcharakter. Gut, dass man auch an Russland und seine großartigen Kultur dachte, obwohl es derzeit schwierig sein könnte, das Land zu besuchen. Mit dem italienischen Barockkomponisten Arcangelo Corelli, einem Mit-Erfinder der Concerti grossi, begann das Konzert, das von der international gefeierten Violinvirtuosin Julia Fischer vom ersten Pult aus geleitet wurde. Als Co-Solistin agierte ihre Kollegin Lena Neudauer, die mit ihrem Violinspiel ebenfalls eine beachtliche Karriere vorweisen kann.

Der lichten Textur des Concerto grosso C-Dur op. 6 N2 von Corelli begegneten die Geigerinnen sowie das Orchester bei allem kultivierten Dialogisieren noch eher mit Distanz. Erst beim Concerto grosso Nr. 1 (1977) des russischen Komponisten Alfred Schnittke ereignete sich ein inspiriertes Miteinander aller Beteiligten, das tief bewegte. Dem feinnervigen, schmerzvollen und melancholischen Werk wussten Fischer und Neudauer mit intellektueller Schärfe und musikalischer Virtuosität und einem großartigen Wechselspiel mit der Kammerakademie zu begegnen.

Vor allem im vierten Satz, in der Cadenza, gab es für Fischer und Neudauer viel Raum, ihr hervorragendes Können zu präsentieren. Ein schlichtes Postludio steht am Ende, zu dem sich wie am Anfang ein präpariertes Klavier (Angela Gassenhuber) mit seinen verfremdeten Glockentönen hinzugesellt. Das Concerto grosso ist kein plumper Rückgriff auf das 18. Jahrhundert. In ihm hat Schnittke sein Verständnis für postmoderne Musik, in dem er vielfältige Elemente einbezieht, manifestiert.

Vom Schwiegersohn Dvoraks, Josef Suk, er ist hierzulande fast unbekannt, erklangen die berührende Meditation über einen altböhmischen Choral und die Streicher-Serenade in Es-Dur mit ihrem melodisch-böhmischen Tonfall und edler Farbenpracht. Julia Fischer hatte auch hier während ihres Spiels das Orchester bestens im Blick und im Ohr und sorgte mit dirigentischer Zurückhaltung, doch präsenter Aufmerksamkeit, für einen vollen Hörgenuss.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false