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Sport: Botschaft auf der Tribüne

Im islamischen Katar steigt der Stellenwert der Frauen – jetzt dürfen sie sogar Tennis spielen

Die Mädchen stehen neben dem Netz und tuscheln. Nach ein paar Sekunden dann kichern die beiden. Sie sind vielleicht 14, sie tragen Nike-Turnschuhe, lange, dunkelblaue Trainingshosen, langärmelige Sweatshirts und in den Händen teure Tennisschläger. Und weiße Schleier. Natürlich tragen sie Kopftücher. Der Platz liegt im Tennisstadion von Doha, Katar. Es ist ein islamisches Land, alle Frauen aus Katar halten in der Öffentlichkeit ihre Haare bedeckt.

Die Frage zu dieser Szene lautet: Wie ungewöhnlich ist, es dass 14-jährige Mädchen an einem Freitagnachmittag mitten im bedeutendsten Tenniszentrum Katars so lässig zum Spaß Tennis spielen? In einem Land, in dem Frauen mit knöchellangen schwarzen Gewändern einkaufen und in den verhüllten Gesichtern durch Schlitze nur die Augen zu sehen sind. Und in dem Frauen erst seit drei Jahren überhaupt Auto fahren dürfen. Und, noch eine Frage: Wie ist die Situation des Frauen-Tennis in Katar?

Schließlich hat der Tennisverband von Katar vom Deutschen Tennis Bund die Lizenz für das Frauen-Turnier German Open abgekauft. Es ist ein T1-Turnier, die höchste Kategorie, die es im Weltfrauen-Tennisverband WTA gibt. Klar, eine Prestigesache, dieser Kauf. So klingt das erst mal. Schließlich zieht Katar so viele Sportveranstaltungen ins Land, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auch die Trampolin-WM in Doha stattfindet. In der Tennis-Weltrangliste der Frauen ist keine einzige Spielerin aus Katar notiert.

Noch nicht. Denn seit drei Jahren ist Scheich Mohammad Al-Thani Präsident des katarischen Tennisverbands. Ein 43-jähriger, höflicher Mann, Mitglieder der königlichen Herrscherfamilie, selber seit Jugendzeiten Tennisspieler. Und dieser smarte Millionär fördert systematisch Frauen-Tennis in seinem Land. Er hat das WTA-Turnier in Doha von einem T3- zu einem T2-Turnier aufgewertet, er hat angeordnet, dass Mädchen zu guten Spielerinnen ausgebildet werden. Er hat jetzt erst mal ein Girlie-Team aufgestellt. Zehn Mädchen zwischen neun und elf Jahren, Talente, die in Schulen entdeckt wurden. Sie spielen bei Nachwuchsturnieren in Katar und bei der arabischen Meisterschaft, sie trainieren fünfmal pro Woche im Tenniszentrum von Doha, wo auch das WTA-Turnier stattfindet. Und sie reisen in Sommercamps nach Südafrika, Ägypten und Ungarn. „Sie alle haben sich sehr stark verbessert“, sagt der Tennistrainer Mamdoah Saad. Er arbeitet im Tenniszentrum von Doha, und er sagt stolz:. „Der Verband will ein starkes Team bilden.“

Junge Talente erhalten einen Platz an einem Sportinternat, die Kosten übernimmt selbstverständlich der Verband. Im März fand ein internationales Mädchen-Turnier in Doha statt. Den ersten Platz belegte Ägypten. Aber schon auf Rang zwei und drei lagen Katar I und Katar II. Da wundert es nicht, dass Saad stolz John McEnroe zitiert. Der frühere US-Tennisstar war 2004 in Doha. „Er hat erzählt: Es ist enorm, wie schnell sich hier alles entwickelt“, sagt Saad.

McEnroe meinte das Frauen-Tennis. Aber es ist ein symbolischer Satz. Die gesamte Frauen-Thematik in Katar entwickelt sich rasant. Das Frauen-Tennis ist nur ein Teil eines bemerkenswerten Fortschritts. Das Land wird liberaler, Frauen erobern sich einen neuen Stellenwert.

Es ist eine Politik der Symbole. Zum Beispiel beim WTA-Turnier in Doha. Plötzlich tauchte die Frau des Emirs von Katar auf der Ehrentribüne auf. Der Gattin des Staatsoberhaupts besucht das Turnier. Die Fernsehkameras, die das gesamte Turnier live übertrugen, fingen das Bild ein. Eine Botschaft. „Seht her, Frauen von Katar, Frauen-Tennis ist akzeptiert, auch in der Freizeit und in der Öffentlichkeit, das war die Nachricht“, sagt Motaz Sarhan. Der junge Katari arbeitet als Techniker für Q-tel, ein katarisches Kommunikations-Unternehmen, das Tennis-Turniere sponsert.

Und deshalb fallen auch junge Mädchen nicht mehr auf, die in ihrer Freizeit im Tenniszentrum von Doha spielen. Nur Schleier müssen sie hier tragen. In den Villen, die oft eigene Plätze haben, hinter den hohen Mauern, spielen Frauen dagegen längst wie sie wollen. Notfalls im Bikini. Ausländerinnen können sowieso spielen, wie sie wollen.

Es gab noch ein Symbol, vielleicht das bedeutendste in letzter Zeit. Der Emir von Katar war vor ein paar Monaten auf Staatsbesuch in den USA, seine Frau begleitete ihn. Und plötzlich trug sie öffentlich ihr Kopftuch, wie unabsichtlich, weit über der Stirn. Ein Teil der Haare war zu sehen. In Katar registrierten es alle am Fernseher. Noch eine Botschaft, sagt Sarhan. Frauen, ihr könnt euch noch mehr von den bisherigen Konventionen lösen, das sei der Hinweis.

Sie haben sich schon gelöst von den strengen Kleidervorschriften, die Frauen. Vor wenigen Jahren noch hingen die schwarzen Gewänder wie Kartoffelsäcke an den Frauen. Alle sahen sie unförmig gleich aus. Jetzt sind sie figurbetont, sie haben lange Schlitze, unter denen Jeans zu erkennen sind. Und die Gewänder haben jetzt Muster aufgestickt. Rauten, Karos, Kreise, in dezenten Farben meist. Beige, braun. Die Kluft wird kleiner zwischen den unzähligen Europäerinnen, die bauchnabelfrei in Hüfthose durchs Shopping-Center in Doha flanieren und den jungen Frauen von Katar.

Wann fällt der Gesichtsschleier in Katar? In zehn Jahren? Oder vielleicht schon in fünf? Da lacht ein anderer Q-tel-Manager, auch ein Katari. „Es geht viel schneller“, sagt er dann. „Gut möglich, dass es schon nächstes Jahr sein wird.“

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