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Der Torwächter. Toni Turek im 54er WM-Finale, das Deutschland gewann.

© imago/Pressefoto Baumann

Held von Bern: Toni Turek wäre heute 100 Jahre alt geworden

Fast jeder deutsche Fußballfan weiß das: Er war ein Teufelskerl und ein Fußballgott - Toni Turek. Vor 100 Jahren wurde er geboren.

Von David Joram

Vierundzwanzig Minuten waren gespielt an jenem 4. Juli 1954, als der Fußballgott geboren wurde, jedenfalls der erste deutsche. Die Ungarn hatten – wieder mal – einen Angriff gestartet. Langer Schlag in die Spitze, Kopfballverlängerung – schon landete der Ball auf dem Fuß des brillanten Stürmers Nándor Hidegkuti, der ihn direkt aus der Luft nahm und volley aus wenigen Metern abzog. Ein sicheres Tor, eigentlich. Turek aber zog seine linke Hand ruckartig nach oben und lenkte den Ball über die Latte. Ein Wahnsinns-Reflex, kein Tor. Während der Torwart sich auf dem Platz im Berner Wankdorfstadion wieder aufrichtete und mit 65 000 Zuschauern die nächste ungarische Ecke erwartete, sprach der Radioreporter Herbert Zimmermann jene Worte, die deutsche Geschichte wurden: „Turek, du bist ein Teufelskerl! Turek, du bist ein Fußballgott!“

Der deutsche 3:2-Sieg gegen die favorisierte Elf aus Ungarn, der vielen als Geburtsstunde der Bundesrepublik gilt, er war der größte Triumph von Anton „Toni“ Turek. Bei seiner Rückkehr nach Düsseldorf, wo er für die Fortuna spielte, wurde der älteste deutsche 54er Weltmeister im Bierfass über die Königsallee gefahren. „Welch’ peinlicher Unfug. Ich schämte mich“, sagte Turek später.

Turek war reaktionsschnell und mit einem so scharfen Blick gesegnet, dass er manchen Bällen gar nicht erst hinterhersprang, weil er sah, dass sie am Tor vorbeifliegen würden. Von „Tureks Bärenruhe“, schrieb der Tagesspiegel nach dem Finale.

Seine große Zeit brach bei Fortuna Düsseldorf an

Geboren wurde er am 18. Januar 1919 im Ruhrgebiet. Für Eintracht Duisburg fing Turek die ersten Bälle, doch seine beste Zeit sollte erst nach dem Zweiten Weltkrieg bei Fortuna Düsseldorf anbrechen. Von 1950 bis 1956 lief er für die Rheinländer auf, die ihm eine Wohnung, einen Arbeitsplatz und etwas über 300 D-Mark monatlich boten.

Von Montag bis Freitag arbeitete Turek in der Verwaltung der Rheinischen Bahngesellschaft, die sich 2005 in Rheinbahn AG umbenannte. Verdienst: 581,60 Mark pro Monat. Meist sonntags stellte er sich zwischen die Torpfosten der Fortuna. Die Bundesliga gab es noch nicht, die höchste Spielklasse hieß Oberliga West. „Straßenbahnliga“ nannte man sie, weil die Entfernungen entsprechend kurz waren. Schon nach seiner ersten Saison, die Düsseldorf als Fünfter abschloss, schrieb die Presse von der „Turek-Elf“.

Nationaltrainer Sepp Herberger fielen Tureks starke Leistungen in der Oberliga West früh auf. Als Deutschland im ersten Länderspiel nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Schweiz traf und 1:0 gewann, durfte auch Turek sein Länderspieldebüt feiern. Rund 115 000 Zuschauer sahen am 22. November 1950 im überfüllten Stuttgarter Neckarstadion zu. Vom DFB bekam Turek als Prämie 100 D-Mark, von den Gästen eine Schweizer Uhr. Dass der Torwart seit dem Krieg mit einem Granatsplitter im Kopf spielte, war für Herberger kein Problem. Wohl aber für Turek, dem in manchen Spielen deshalb schwindelig wurde.

Am 16. Oktober 1954 machte Turek sein letztes von 20 Länderspielen, als beim 1:3 vor 86 000 Zuschauern in Hannover ein gewisser Uwe Seeler gegen Frankreich debütierte. Drei Jahre später beendete Turek mit 38 Jahren seine Fußballkarriere bei Borussia Mönchengladbach. Auf die weltmeisterliche Fußball- folgte später eine ziemliche Leidenszeit. 1973 setzte eine Lähmung seine Beine außer Kraft, Operationen an Magen und Herz folgten. Turek wurde zum Pflegefall und starb 1984 mit 65 Jahren in Neuss.

An diesem Freitag wäre er 100 Jahre alt geworden. Ein Fußballgott bleibt Toni Turek auf ewig.

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