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Wirtschaft: Der Dax fährt Geisterbahn

Index bewegt sich im Juli um 1760 Punkte – und endet im Minus

Berlin. Es gebe im Kapitalismus eben Phasen, in denen der Wahnsinn ausbreche, sagte einst der amerikanische Ökonom John Galbraith. Im Juli war es soweit. Einen Höllenritt mit Geisterbahneffekt legte der Dax hin, die Anleger fielen vom Depressiven ins Manische und wieder zurück. Nachdem der Index den Juni bei 4382 Punkten beendet hatte und viele Marktbeobachter schon auf eine Sommerrallye gehofft hatten, jagte der Dax bis deutlich unter die Tiefststände vom September 2001.

Den 24. Juli werden Anleger nicht so schnell vergessen: Nach einer rasenden Abwärtsfahrt um sieben Prozent bis auf 3266 Punkte, nach panikartigen Verkäufen um nahezu jeden Preis, schaltete der sonst eher behäbige Standardwerte-Index den Turbo ein, der ihn binnen zwei Stunden um fast elf Prozent nach oben schraubte. Bis Mittwochmittag hatte sich der Dax schließlich wieder auf 3920 Punkte erholt, das macht per salo eine Bewegung von mehr als 1760 Punkten.

In der Spitze hat der Dax damit im Juli 25 Prozent verloren, dann aber bis zum 31. Juli wieder auf rund minus 13 Prozent aufgeholt.

Nur bei einer einzigen Aktie hätte sich Ende Juni ein Kauf wirklich gelohnt: Die T-Aktie stieg von 9,50 auf bis zuletzt knapp zwölf Euro – ein Plus von 18 Prozent. Die Begründung manifestiert den Börsenwahnsinn: Der Abgang von Ron Sommer und die Berufung von Helmut Sihler auf den Vorstandssessel entzückte die Anleger derart, dass T-Aktien wieder gekauft wurden wie in alten Zeiten. Dass Sihler Sommers Strategie als Ex-Aufsichtsratchef mitgetragen hatte, interessierte niemanden mehr.

Epcos: 40 Prozent Minus

Die Hälfte der Dax-Werte jedoch beendete den Juli mit einem mehr als zehnprozentigem Minus. Zwei Papiere (MLP und Hypo-Vereinsbank) verloren sogar über 30 Prozent, und mit Epcos geht sogar ein Wert mit über 40 Prozent Kursverlust in den August. Schuld daran sind in diesem Fall ausnahmsweise nicht nur die US-Märkte, die sonst wie üblich den Ton vorgaben. Vor allem die Pleite des Telefonkonzerns Worldcom, die größte der US-Geschichte, erschütterte die Märkte. Ängste vor weiteren Bilanztricks und ein gesunkenes Verbrauchervertrauen taten ihr Übriges. Schuld am Epcos-Absturz waren vor allem die schwachen Quartalszahlen und der negative Ausblick.

Bankenkrise trifft Hypo-Vereinsbank

Auch der zweit- und drittschlechteste Wert in den vergangenen vier Wochen schockte den Markt: Bei MLP forschten die Staatsanwälte nach etwaigen Bilanzkorrekturen. Und erstmals seit Jahrzehnten schreibt die Hypo-Vereinsbank, die zweitgrößte deutsche Bank, einen Verlust. Ertragseinbrüche im Wertpapiergeschäft und die höhere Risikovorsorge für wackelige Kredite hätten das „schwerste Bankenjahr seit Kriegsende" heraufbeschworen, so Hypochef Albrecht Schmidt. Den anderen Finanztiteln im Dax erging es kaum besser. Dem Vernehmen nach sollen vor allem Versicherungen Aktien aus ihren Depots geworfen haben, um angesichts der Börsenbaisse ihre vertraglichen Verpflichtungen aufrecht erhalten zu können. Zudem hatten mehrere Hedgefonds unverhohlen angekündigt, sich nun die Finanzwerte vorzunehmen, sprich über Leerverkäufe die Kurse zu drücken.

Vergleichsweise gering war der Bremsdruck bei den Autos. BMW gab bekannt, im ersten Halbjahr 18 Prozent mehr Autos verkauft zu haben als 2001, und Daimler-Chrysler will den operativen Gewinn nicht nur verdoppeln, sondern verdreifachen. Der neue VW-Chef Bernd Pischetsrieder musste zwar vor sinkenden Gewinnen warnen und glaubt nicht an eine Verbesserung der Autokonjunktur in der zweiten Jahreshälfte. Trotzdem kauften die Anleger VW-Aktien. Ein Blick auf die Performance der Autoaktien lehrt also: Galbraith hatte Recht. Veronika Csizi

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