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Bloß nicht verrechnen: Seminare für Aufsichtsräte

Aufsichtsräte müssen hervorragend qualifiziert sein – denn sie haften bei Fehlentscheidungen. Die Angst treibt sie in Seminare.

Ambiente, Angebot und Aussicht sind vom Feinsten. Die „Alpine-University“ im ehemaligen Grandhotel von Kitzbühel verspricht exklusive Arbeitsatmosphäre. Wer hier die „Board Academy“ erfolgreich absolviert, der hat den Ritterschlag. Die Teilnehmer sind auf dem Weg in Spitzenpositionen, zum Beispiel in den Aufsichtsrat eines Dax-Konzerns.

Die Board Academy, die von McKinsey, KPMG und Egon Zehnder seit fünf Jahren veranstaltet wird, liegt im Trend. Qualifizierungsangebote für angehende Aufsichtsräte sowie gestandene Kontrolleure haben Konjunktur. Selbst Familiengesellschafter aus der Provinz erkennen, dass Managen und Kontrollieren zwei vollkommen verschiedene Aufgaben sind.

Kontrolleure brauchen spezielle Weiterbildung und das Angebot wächst: Zwei Anbieter gehen neu an den Start, ein dritter stellt sich breiter auf. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) startet mit der Frankfurt School of Finance and Management ein neues Programm, die European School of Management and Technology (ESMT) lud gerade zu ihren ersten Kursen. Das Deutsche Aufsichtsratsinstitut, das seit 2007 am Markt ist, will künftig auch Verwaltungsräte für den öffentlichen Sektor qualifizieren. Aus diesem Grund hat es sich in Deutsches Verwaltungs- und Aufsichtsrats-Institut (DVAI) umbenannt.

Die Angebotsvielfalt kommt nicht von ungefähr. Die Gesetzeslage hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. So werden Aufsichtsräte künftig für eine nachhaltige Vorstandsvergütung verantwortlich gemacht, und Mitglieder von Prüfungsausschüssen müssen Finanzexpertise nachweisen. Die Wirtschaft selbst hat sich zudem mit der Corporate Governance Kommission verpflichtet, aus Aufsehern echte Kontrolleure zu machen. Die Furcht vor Haftung wegen Fehlentscheidungen treibt den Seminaranbietern die Kundschaft ins Haus. „In den Aufsichtsräten findet ein Generationswechsel statt. Das Bewusstsein, dass es kein Ehrenamt, sondern ein Beruf ist, wächst,“ sagt Wirtschaftsprofessor Manuel René Theisen.

Die Ziele der neuen und etablierten Anbieter sind identisch. Nicht aber die Zielgruppen – und schon gar nicht die Kosten der Qualifizierung (siehe Kasten). So richtet sich das DVAI vor allem an aktive oder künftige Aufsichtsräte, Beiräte und Verwaltungsräte des gehobenen Mittelstands und des öffentlichen Sektors. Die Ausbildung im Schlosshotel Reichenschwand kann – dank einer exklusiven Kooperation – mit einem Zertifikat des Tüv Rheinland abgeschlossen werden. DVAI-Präsident Marcus Labbé will sein Institut auch als Sprachrohr und Netzwerk für Aufsichts- und Verwaltungsräte etablieren. „Das DVAI vertritt als neutrales, von Kapital- wie Arbeitnehmerinteressen sowie verlagsunabhängiges Institut die Belange des deutschen Verwaltungs- und Aufsichtsratswesens und seiner Mandatsträger“, sagt der Professor für International Finance und Governance.

Die Board Academy steht demgegenüber nur einem elitären und exklusiven Kreis offen. Rund 20 führende Konzerne aus dem Dax sowie große Familienunternehmen sind Träger des Vereins. Sie schicken ihre Hoffnungsträger nach Kitzbühel. Wenn sich die 30- bis 40-jährigen Teilnehmer, meist höchstpersönlich ausgesucht von den Vorständen, dort treffen, geht es um Bilanzierung, Personal und Strategie. Vorgetragen wird von Klaus Mattern, Deutschland-Chef von McKinsey, Bernd Wieczorek, Chairman von Egon Zehnder, und KPMG-Vorstandssprecher Rolf Nonnenmacher. Prominente Gäste wie Simone Bagel-Trah von Henkel berichten aus eigener Erfahrung.

Beschaulicher als in Kitzbühel geht es in der Villa Kennedy in Frankfurt zu. In zwei Wochen treffen sich hier die Teilnehmer eines neuen Seminars für Aufsichtsräte und all jene, die es werden sollen. Die Frankfurt School of Finance and Management und das Deutsche Aktieninstitut zielen außer auf die Kontrolleure aus Industrie und Dienstleistungssektor vor allem auf jene aus dem Finanzgewerbe. Spezielle Kurse für Aufseher in Versicherungen sollen folgen. Auf ihre eigene Professorenschaft verzichtet die Hochschule bewusst, stattdessen geben Spezialisten und Aufsichtsräte ihr Wissen weiter. Kaminabende – zum ersten kommt der frühere Deutsche-Bank-Chef und spätere Aufsichtsrats-Vorsitzende Rolf Breuer – sollen beim Netzwerken behilflich sein.

Ähnlich prominent geht es im Wasserschloss Gracht am Rande der Eifel zu. Seit drei Jahrzehnten werden hier Führungskräfte geschult, inzwischen unter dem Schirm der Berliner Wirtschaftshochschule ESMT. Das von Professor Theisen zusammengestellte Programm soll sehr praxisnah sein. Auf der Referentenliste stehen Karl-Gerhard Eick (Ex-Arcandor-Chef) oder Clemens Börsig (Ex-Deutsche-Bank).

Auf Schloss Gracht ist es schon der zweite Anlauf. Schon 1995 gab es Seminare für Aufsichtsräte. Das Interesse war aber so gering, dass das Angebot eingestellt wurde. Diesmal dürfte es besser laufen. (HB)

Dieter Fockenbrock, Stefanie Hergert, Tanja Kewes

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