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Ein Audi bezahlt an einer Maut-Stelle auf einer französischen Autobahn.

© IMAGO

Neuer Vorstoß der SPD: SPD bringt neue Maut-Idee ins Spiel

Gegen die Maut-Pläne der CSU gibt es viel Widerstand. Die SPD überrascht nun mit einer neuen Idee - sie schlägt eine streckenbezogene Gebühr für alle vor

Wenn Alexander Dobrindt (CSU) mit dem kleinen Privat-Mercedes durch seinen Wahlkreis im Süden Bayerns düst, muss er die Autobahn nehmen, damit es schnell geht. Zur Wahl stehen die A 95 und die A 96 – die führen direkt in die schöneren Gebiete des Freistaats: Wettersteingebirge, Pfaffenwinkel, Ammersee. Das sind beliebte Ziele von Touristen, auch aus dem Ausland. Noch jedenfalls.

Denn Dobrindt will nun als neuer Verkehrsminister die Ausländer zur Kasse bitten. Sie sollen bezahlen, bevor sie auf die A 95 oder die A 96 einbiegen. Zehn Euro für einen Kurzurlaub, 100 Euro, wenn die Vignette ein Jahr lang gültig sein soll. Die Österreicher protestieren bereits. „Mit allen nötigen Mitteln“ wolle sie dagegen vorgehen, droht die österreichische Verkehrsministerin Doris Bures – notfalls mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

Nicht nur vom südlichen Nachbarn droht Ungemach. Die Einführung der Dobrindt-Maut dürfte ein schwieriges Unterfangen werden. Drei Bedingungen stellt der Koalitionsvertrag: Die Maut muss vereinbar mit EU-Recht sein, darf deutsche Autofahrer nicht stärker belasten als bislang und muss einen nennenswerten Betrag einbringen.

SPD will Vielfahrer belasten

In allen Punkten wird das schwierig: EU-Verkehrskommissar Siim Kallas hat Bedenken gegen das Vorhaben, die deutschen Autofahrer erst mit der Maut zu be- und dann über die Senkung der Kfz-Steuer zu entlasten. Besonders viel Geld wird der Wegezoll für Ausländer wohl auch nicht einbringen. Der Maut-Betreiber Ages rechnet nach Abzug der Verwaltungskosten mit 700 Millionen Euro, der ADAC befürchtet gar ein Minusgeschäft.

Martin Burkert (SPD) aus Nürnberg ist neuer Vorsitzender des Verkehrsausschusses.

© promo

Auch der Koalitionspartner SPD fremdelt mit der Maut. Maßgebliche Sozialdemokraten fürchten, dass Dobrindts Pläne in eine Sackgasse führen – und machen sich bereits Gedanken über Alternativen. „Wenn es nicht geht, muss der Minister einen Schlussstrich ziehen“, sagt Martin Burkert, der neue Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, dem Tagesspiegel. Dann müsse man versuchen, mehr Geld aus dem allgemeinen Haushalt zu mobilisieren, immerhin fließen 53 Milliarden Euro vor allem aus dem Straßenverkehr in den Staatsetat. Umgekehrt gibt die Politik nur 19 Milliarden Euro für die Verkehrswege aus. An das Geld im Haushalt heranzukommen, versuchen Verkehrspolitiker seit Jahren – ohne Erfolg. Burkert plädiert daher dafür, „neu nachzudenken“. „Ich halte eine streckenbezogene Maut, kombiniert mit einem völlig neuen Steuersystem für den Verkehr, für eine Option.“

Für die Autofahrer würde das einen enormen Unterschied bedeuten: Statt einer Flatrate, ob für zehn Tage oder ein Jahr, würde jede Fahrt erfasst und in Rechnung gestellt. „Dann könnte man die Kfz-Steuer in die Mineralölsteuer integrieren und auch eine ökologische Lenkungswirkung einbauen, etwa durch Sondertarife für Gas- oder Elektroautos“, schwärmt Burkert. „Wer viel fährt, zahlt dann auch viel.“

Der Nürnberger, ausgebildet bei der Bundesbahn, belebt damit die Diskussion um die Finanzierung des Verkehrs neu. Fünf Milliarden Euro mehr will die Koalition für die Mobilität ausgeben – pro Jahr der Wahlperiode also 1,25 Milliarden. Zu wenig, beschwert sich die Branche. Klaus-Peter Müller, Vorsitzender des Lobbyverbandes Deutsches Verkehrsforum, taxiert den Mehrbedarf auf vier Milliarden Euro pro Jahr. Eine „dauerhafte Anhebung der Haushaltslinie“ für Straßen, Schienen und Wasserwege verlangte der Commerzbank-Chefaufseher dieser Tage in Berlin. Eine Expertengruppe um Ex-Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) hatte kürzlich sogar mehr als sieben Milliarden Euro veranschlagt.

Auch bei den Grünen gibt es Sympathien

SPD-Mann Burkert schreckt das nicht. „In einer großen Koalition haben wir die Chance, große Veränderungen herbeizuführen.“ Die Maut-Einnahmen sollten dann allein in den Verkehrssektor fließen. Auch in der CDU finden sich Befürworter einer großen Lösung. Selbst Vertreter der Grünen sind dabei, wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein Verkehrsminister Winfried Hermann.

Technisch wäre eine allgemeine Maut binnen zwei oder drei Jahren einsetzbar, versprechen Vertreter der Branche. Geld könnte also noch in dieser Wahlperiode fließen. Und auch die EU würde ihren Segen geben, sie wirbt schon lange für eine Maut als gerechtes Instrument. Derzeit kostet die Straßenbenutzung in 15 von 27 EU-Ländern Gebühren.

Ausschuss-Chef Burkert wüsste sofort, wo man zusätzliches Geld verbauen könnte. „Der Sanierungsbedarf ist riesig. Überall im Netz gibt es Engpässe, von den Schleusen am Nord-Ostsee-Kanal bis nach Bayern, wo die Bahnstrecke Hof–Regensburg dringend für Güterzüge elektrifiziert werden muss“, sagt er. Hier müssten für nur 200 Kilometer E-Loks durch Dieselloks ersetzt werden. „Für Bahn- und Straßenbrücken brauchen wir gegebenenfalls ein Sofortprogramm.“ In Berlin stuft der Senat sieben wichtige Brücken extrem sanierungsbedürftig ein.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel dürften mit einer Strecken-Maut aber eher fremdeln. Nicht nur, weil sie höhere Belastungen für Autofahrer ausgeschlossen haben. CSU-Chef Horst Seehofer hat sich mit seinem Beharren auf einer Ausländer-Maut erpressbar gemacht. Eine Absage kann er sich nicht leisten. Den beiden Koalitionspartnern muss er beinahe alles dafür bieten – Gabriel und Merkel müssen nur noch zugreifen.

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