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Wegovy muss mit Hilfe eines „Pens“ einmal wöchentlich ins Unterhautfettgewebe gespritzt werden.

© REUTERS/JIM VONDRUSKA

Weniger Herzinfarkte mit Wegovy: Abnehmspritze könnte Leben retten

Der Wirkstoff Semaglutid, der das Abnehmen erleichtert, verhindert auf lange Sicht Herzinfarkte und Schlaganfälle. Eine Studie belegt, dass die neuen Medikamente Vorteile für die Gesundheit haben können.

Noch sind die Details nicht einsehbar, eine Zahl aber wurde bereits kommuniziert: 20 Prozent weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle. Übergewichtige und adipöse Menschen, die sich über fünf Jahre hinweg den Wirkstoff Semaglutid gespritzt haben, leiden deutlich weniger unter „kardiovaskulären Ereignissen“, also Herzkreislauferkrankungen, so gab der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk bekannt.

„Das ist eine Studie, über man noch in zehn Jahren sprechen wird“, kommentiert Andreas Birkenfeld, Leiter der Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie am Universitätsklinikum Tübingen. Seiner Ansicht nach wird sie zu einem Umdenken in der Behandlung von Adipositas führen, so wie das führende Fachleute schon länger fordern. Denn zum ersten Mal konnte man zeigen, dass ein Medikament, das gezielt zum Gewichtsverlust eingesetzt wird, zugleich entscheidend die Gesundheit verbessert.

Fünf Jahre, 17.604 Probanden

Die „SELECT“-Studie soll im Herbst veröffentlicht werden. Sie wurde 2018 initiiert und in 41 Ländern an mehr als 800 Prüfzentren durchgeführt, 17.604 Erwachsene nahmen daran teil. Über fünf Jahre spritzten sich die Teilnehmer einmal wöchentlich entweder 2,4 mg Semaglutid oder unwissentlich ein Placebo ins Unterhautfettgewebe.

Für Diabetes-Patienten, für die Semaglutid ursprünglich entwickelt worden war, ist schon länger belegt, dass Semaglutid nicht nur den Blutzucker und das Gewicht senkt, sondern auch Herzinfarkte und Schlaganfälle verringert. Nun aber ist klar, dass auch Menschen ohne Diabetes von der Behandlung profitieren. Naheliegend war dies schon länger, denn schweres Übergewicht trägt deutlich zur Entstehung von Herzkreislauferkrankungen bei. In einer früheren Studie hatte man gezeigt, dass Menschen mit Semaglutid im Durchschnitt 15 Prozent ihres Körpergewichts abnehmen.

Das ist eine Studie, über man noch in zehn Jahren sprechen wird.

Andreas Birkenfeld, Leiter der Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie am Universitätsklinikum Tübingen, Leiter des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen Helmholtz München am Universitätsklinikum Tübingen.

Kein Lifestyle-Präparat

Angesichts der neuen Evidenz werde man die neuen Adipositas-Medikamente auf Dauer nicht mehr wie Lifestyle-Präparate behandeln, davon ist Birkenfeld überzeugt. Mit diesem Argument werden bislang alle Mittel, die zu einem Gewichtsverlust führen sollen, prinzipiell von der Erstattung durch die Krankenkassen ausgeschlossen. Nun wird man ausrechnen können, wie teuer es wäre, in bestimmten Patientengruppen mit Semaglutid einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder generell einen Todesfall zu verhindern.

Natürlich werde man weiterhin eine Änderung des Lebensstils anstreben, sagt Birkenfeld, der viel Erfahrung mit der Behandlung von schwerem Übergewicht hat. „Doch die Patienten schaffen es mehrheitlich nicht, mit konventionellen Methoden langfristig mehr als wenige Prozent ihres Körpergewichts abzunehmen.“

Semaglutid wird unter dem Namen Ozempic schon seit 2018 bei der Behandlung von Diabetes eingesetzt. Seit Januar 2022 ist es unter dem Namen Wegovy auch zur Behandlung von Übergewicht zugelassen, wegen Lieferengpässen aber erst seit Kurzem in Deutschland verfügbar. Indiziert ist es für Menschen mit einem BMI ab 30 oder einem BMI ab 27 mit zusätzlichen Begleiterkrankungen wie Diabetes Typ 2, Fettstoffwechselstörung, obstruktive Schlafapnoe oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck.

Die Behandlung, die ungefähr 360 Euro im Monat kostet, muss vermutlich lebenslang fortgesetzt werden, da die Patienten nach dem Absetzten wieder zunehmen. Zu Beginn der Einnahme treten häufig Beschwerden wie Übelkeit und Verdauungsprobleme auf. Auch könnte es noch unbekannte, sehr seltene Nebenwirkungen geben, die man erst nach der Analyse von Millionen Patientendaten identifizieren kann. Die Europäische Arzneimittelbehörde prüft gerade nach mehreren Einzelfällen den Verdacht, dass Semaglutid und verwandte Stoffe Depressionen oder Selbstmordgedanken auslösen könnten.

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