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Pro-palästinensischer Protest am Dienstag an der FU.

© REUTERS/ANNEGRET HILSE

Update

Nach Palästina-Protest an der FU Berlin: Dozenten kritisieren schnelle Räumung durch Polizei

In einem offenen Brief wenden sich Berliner Dozenten gegen die FU für die schnelle Räumung eines Protestcamps. Sie fordern, von Polizeieinsätzen auf dem Campus und Strafverfolgungen abzusehen.

| Update:

Nachdem die Freie Universität (FU) am Dienstag ein pro-palästinensisches Protestcamp auf dem Campus räumen ließ, kritisieren Berliner Hochschuldozenten in einem offenen Brief das schnelle Durchgreifen der Unileitung mithilfe der Polizei.

Es gehöre „zu den Pflichten der Universitätsleitung, solange wie nur möglich eine dialogische und gewaltfreie Lösung anzustreben“, heißt es in einem Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten. Man habe das Camp daher nicht „ohne ein vorangehendes Gesprächsangebot polizeilich räumen“ lassen sollen.

143 Berliner Professor:innen und Dozenten unterzeichneten das Statement, darunter die Philosophin Rahel Jaeggi, der Soziologe Linus Westheuser (Co-Autor von „Triggerpunkte“), Ulrike Freitag, Leiterin des Leibniz-Zentrums Moderner Orient, und Florian Zemmin, Direktor des Instituts für Islamwissenschaft der FU. Rund 400 weitere Unterzeichner:innen aus Deutschland und dem Ausland hatten sich am Mittwoch bereits angeschlossen.

Der Brief appelliert, Meinungs- und Versammlungsfreiheit auch in der angespannten Lage an den Unis wegen des Nahostkonflikts zu schützen. Er endet mit einem Aufruf an die Berliner Universitäten, „von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen“.

An dem Brief gibt es Kritik

Am Brief gibt es auch Kritik: Daniel Nartschick, Mitarbeiter an der Universität der Künste, kritisierte den Brief dem Tagesspiegel gegenüber als „nicht differenziert genug“. Die Forderungen würden der Komplexität der Lage nicht gerecht. Er verwies darauf, zum einen seien von solchen Versammlungen über kurz oder lang „israelfeindliche und antisemitische“ Äußerungen zu erwarten. Zum anderen vermute er, solche Aktionen gingen mit „Provokationsstrategien“ einher, kalkulierten also den Zusammenstoß mit der Polizei und mediale Effekte mit ein.

Im Statement der Lehrenden, die friedliche Proteste von Studierenden in Schutz nehmen, werden die von Israel angekündigte Offensive in Rafah und die „Verschärfung der humanitären Krise in Gaza“ als Anlass für Solidaritätsaktionen betont. Selbst wenn man die Forderungen und die Form des Protests nicht teile, gebe es ein „Recht auf friedlichen Protest“.

Ulrike Freitag, Unterzeichnerin des Statements, sagte dem Tagesspiegel, sie habe den Brief aus Sorge unterschrieben, die Lage eskaliere weiter, wenn auch friedliche Protestaktionen wie das Camp künftig sofort unterbunden werden. Ihr sei klar, dass die Forderungen der Studierenden „völlig einseitig und nicht um Dialog bemüht“ seien. Es sei offensichtlich, dass diese von der Universität ohnehin nicht erfüllt werden könnten – dies sei aber bei Studi-Demos zu anderen Themen ebenfalls oft der Fall. Gerade beim Nahostkonflikt sei es zur Deeskalation wichtig, Studierende, die nicht gewalttätig oder straffällig würden, auch umstrittene Meinungen ausdrücken zu lassen und nur gezielt gegen einzelne Ordnungsstörer vorzugehen.

Die Gruppe „Student Coalition Berlin“, die zur FU-Besetzung auf aufgerufen hatte, hatte in ihrem Instagram-Post von vornherein angekündigt, sich nicht auf Verhandlungen einlassen zu wollen, und forderte einen „kompletten kulturellen und akademischen Boykott Israels“.

Die FU begründete die Räumung damit, dass der Protest nicht auf Dialog ausgerichtet sei. Eine Besetzung auf dem Gelände der Uni sei nicht akzeptabel. Ein Pressesprecher fügte auf Nachfrage hinzu, es sei während der Aktion „zu antisemitischen, diskriminierenden Äußerungen“ gekommen, sowie „zu Aufrufen zu Gewalt, zu Sachbeschädigungen und zu Aktionen (Beschädigung der Brandmeldeanlagen), die die Sicherheit gefährden“. Weil die Besetzung als dauerhaft angekündigt war, sei es absehbar gewesen, „dass sich die Lage zuspitzen würde“.

Der Sprecher erklärte weiter: „Die Hochschulleitung nimmt kritische Stimmen von Mitgliedern der Freien Universität Berlin sehr ernst und sie wird sich damit auch weiterhin auseinandersetzen und Gespräche führen.“ Seit mehreren Monaten gebe es „intensive Dialoge“ und Veranstaltungen, in denen der Nahostkonflikt in verschiedenen Perspektiven thematisiert würde.

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