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Region und Künstler unbekannt: Dieses Perlband („karatsoana“) aus Glas und
Pflanzenfaser tauschte, so die Objektinfo des Ethnologischen Museums Berlin, ein Missionar um 1878 gegen Vieh ein, bevor er es dem Museum verkaufte.

© Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum/Martin Franken

Tagesspiegel Plus

„Vieles ging nach dem Genozid in die Sammlungen ein“: Anfang einer Übersicht zu kolonialem Raubgut aus Namibia

Mindestens 19.000 Objekte, die im kolonialen Kontext aus Namibia entwendet wurden, liegen im deutschsprachigen Raum. Eine Umfrage unter 30 Unis und Museen ergab erstmals diese Zahl. Zwei Ethnologinnen wollen klären: Was liegt da alles?

In „Satin Island“, einem absurden Gegenwartsroman des Briten Tom McCarthy, gibt es eine Szene, die auf die ethnologische Sammlung des Frankfurter Weltkulturenmuseums anspielt. „Jetzt haben wir all diese Lagerräume voller Schrott, den wir weder ausstellen noch ansatzweise verstehen“, sagt die Museumsmitarbeiterin, als sie dem Protagonisten, einem Anthropologen, eine Privatführung durchs Depot gibt. Es ist dunkel und verstaubt, sie rätseln über den früheren Gebrauch der Artefakte in den Schubladen. „Wir haben nicht mal die Hälfte des Zeugs katalogisiert“, sagt sie, „was sollen wir damit machen?“

Natürlich sind die tausenden Objekte, die deutsche Militärs, Missionare, Farmer und Wissenschaftler vom 19. bis ins 20. Jahrhundert hinein in Namibia aneigneten, alles andere als „Schrott“, sondern in vielerlei Hinsicht bedeutsam. Sie zeugen von der deutschen Gewaltherrschaft über indigene Völker in „Deutsch-Südwestafrika“ und dem Genozid an den Herero und Nama. Für Namibia sind sie ein Kulturerbe, dessen Rückgabe Teil einer Wiedergutmachung von Kolonialverbrechen und Unterdrückung sein kann.

Die zugespitzte Formulierung der Museumsfrau im Roman spielt aber auf ein reales Problem an. Bevor die viel geforderte Restitution von kolonialem Raubgut als kulturpolitischer Staatsakt in Szene gesetzt werden kann, müssen riesige Wissenslücken gefüllt werden. Man weiß noch nicht mal genau: Was lagert da alles?

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