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Roter Schopf eilt durch Berlin: eine Szene aus „Lola rennt“.

© dpa / X-Verleih

Tagesspiegel Plus

25 Jahre Berliner Kultfilm: Lola rennt jetzt auch digital aufpoliert in 4K

Vor 25 Jahren wurde der philosophisch grundierte Thriller „Lola rennt“ gedreht. Tom Tykwer hat sein Meisterwerk nun modernisiert – und führt es selbst vor.

Wo steckt Lola? Da muss Tom Tykwer erst mal nachdenken. Wahrscheinlich irgendwo in den Büroräumen der Produktionsfirma X-Filme in Tiergarten, jedenfalls nicht hier in Moabit, wo man die Postproduktion erledigt. Das Zögern ist verständlich, schließlich liegt es 23 Jahre zurück, dass er den Regiepreis für „Lola rennt“ bekam, eine der acht Auszeichnungen, die der Film beim Deutschen Filmpreis damals einsackte.

So eine goldene Trophäe sagt noch nichts über den Erfolg an der Kinokasse, aber „Lola rennt“ sahnte richtig ab, nachdem es am 20. August 1998 in die deutschen Lichtspielhäuser gekommen war – Anlass genug, dies im kommenden Jahr gebührend zu feiern, wie Tykwer gegen Ende der knappen halben Stunde voller Erinnerungen an seinen dritten Film noch andeutet.

Aber so lange muss man auf eine Wiedersehen mit Lola nicht warten. Beim TV-Sender arte wurde er gerade in die Mediathek aufgenommen, und am Freitag, ein kleiner Vorgeschmack auf die Feier zum Silberjubiläum, wird die digital aufpolierte Version in 4K-Qualität bei einer öffentlichen Vorführung vom Tykwer selbst präsentiert.

Berlin eng verbunden: Regisseur Tom Tykwer.
Berlin eng verbunden: Regisseur Tom Tykwer.

© AFP / Stefanie Loos

Die technische Auffrischung ist nach ziemlich genau 25 Jahren - die Dreharbeiten in Berlin liefen von Mitte Juni bis Anfang August 1997 - schon erforderlich, obwohl das Originalnegativ „wie ein Heiligtum“ aufbewahrt werde, wie der Regisseur erzählt. Bild für Bild sei der Film digital abgetastet worden, strahle jetzt wieder, als sei er gerade erst gedreht worden, während die Wirkkraft der Bilder, die Brillanz der Farben nach so langer Zeit schon leide. Und auf die Farben kommt es doch schon wegen Lolas rotem Schopf an, mit dem sie durch das Berlin der neunziger Jahre rennt.

100.000 Mark für den Dealer in der U-Bahn vergessen

Lola, dargestellt von Franka Potente, das ist die aus gutbürgerlichem Hause stammende Freundin des schusseligen Kleinganoven Manni (Moritz Bleibtreu). Der hat die für einen Drogenhändler bestimmten 100.000 D-Mark leider in der U-Bahn vergessen, 20 Minuten bleiben ihm und Lola nur, sie neu zu beschaffen. Also rennt sie los, Start zu einem dreifach aufgefächerten Thriller mit unterschiedlichen Handlungsverläufen, die mal für sie, mal für ihn tödlich, einmal aber für beide glücklich enden, jeweils ausgelöst durch winzige Zufälle, die den beiden Hauptfiguren zustoßen.

„Im Leben ist alles möglich, es ist eine ununterbrochene Folge von Kettenreaktionen, bei denen Menschen, Tiere, eigentlich alle Wesen auf uns einwirken, unser Schicksal beeinflussen“, umschreibt Tykwer das „Grundschema des Films“, das Zusammenspiel von Schicksal und Zufall also, ein geradezu philosophische Grundierung des Thrillerstoffs also, aber schließlich, wirft Tykwer ein, hat er ja auch mal in Berlin Philosophie studiert.

Dass der Film nun aber in Berlin spielt, ist ganz und gar kein Zufall. Franka Potente, erstaunlich fit, obwohl sie damals viel geraucht hat, sprintet über die Oberbaumbrücke, durch die Friedrichstraße, die trotz der neuen Geschäfte so leer war, das Leute vom Filmteam sie bevölkern mussten, wie Tykwer erzählt. Im Haus Cumberland am Kurfürstendamm, damals Sitz der Oberfinanzdirektion, wurden die inneren Bankszenen gedreht, als Außensicht diente das heutige Hotel de Rome am Bebelpatz in Mitte.

Drehgenehmigungen? Eine allgemeine Stelle für solche Wünsche gab es nicht. Für die Oberbaumbrücke etwa war man polizeilich in Kreuzberg zuständig, baupolizeilich aber in Friedrichshain. Nun, das gehe heute natürlich einfacher als damals, Berlin habe da etwas gelernt, was man in New York schon vor 100 Jahren wusste.

Tykwer schwärmt von Sünden und Schönheiten Berlins

Noch heute würde Tykwer, wie er versichert, wenn möglich immer Berlin als Dreh- und Handlungsort wählen, für ihn „die interessanteste, vielseitigste Stadt der Welt“. Keine andere weise so viele architektonische Sünden und zugleich so viele schöne Orte auf. Was Berlin aber gerade Mitte der neunziger Jahre so spannend und passend für den Film gemacht habe: „Damals fand hier ein Wechsel der Generationen statt. Berlin war chaotisch, hat sich damals komplett neu erfunden.“

Berlin, das war damals eben eine Stadt der Möglichkeiten, spiegelte gleichsam die Grundidee des Films wieder, die Abhängigkeit der Wirklichkeit von Zufällen, die Freiheit, die bei allen Zwängen doch immer bestehe. „Die Wirklichkeit ist die Unwahrscheinlichkeit, die eintritt“, hat der Dramatiker Friedrich Dürrenmatt mal geschrieben. Trifft das den Kern des Films, Herr Tykwer? Der lacht: „Das wäre ein Supersatz für uns gewesen.“

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